Kirchheim

Vom Wachthaus ins SI

Gastronomie Tindaro Adornetto hört nach 30 Jahren in Kirchheim auf und geht nach Möhringen. Sein Ristorante übernimmt Daniel Rau. Von Bianca Lütz-Holoch

Tino Adornettos Tage im Kirchheimer Wachthaus sind gezählt. Künftig serviert er Fisch und Pasta in Stuttgart. Foto: Jean-Luc Jac
Tino Adornettos Tage im Kirchheimer Wachthaus sind gezählt. Künftig serviert er Fisch und Pasta in Stuttgart. Foto: Jean-Luc Jacques

Für seine Stammgäste ist er über Jahrzehnte hinweg ein Lieblings-Italiener gewesen, wie er im Buche steht: Tindaro „Tino“ Adornetto weiß genau, wer lieber Seeteufel mag und wem er Lachs servieren darf. Nebenbei diskutiert er mit seinen Gästen über Politik und die neuesten Stadtereignisse. Nun sagt Tino Adornetto „Ciao“: Ende März verlässt er das Ristorante Pizzeria im Alten Wachthaus in Kirchheim und geht ins SI-Zentrum nach Stuttgart-Möhringen.

Bereits 2017 ist er in die Fußstapfen seines Bruders Santino getreten und hat in Möhringen die Geschäftsführung der Adornetto Enoteca und der Pizzeria al Centro übernommen. Ab April konzentriert er sich nun ganz auf den Betrieb der beiden Lokale dort. „Ich möchte mehr Zeit für mich und meine fünf Enkel haben“, begründet Tino Adornetto seine Entscheidung. Während sein Arbeitstag im Alten Wachthaus jahrzehntelang um 8 Uhr begonnen und oft erst nach Mitternacht geendet hat, beschränkt sich das Geschäft im SI-Zentrum auf den Abend. „Ganz mit der Gastronomie aufzuhören konnte ich mir noch nicht vorstellen“, sagt der 62-Jährige - etwas kürzer zu treten allerdings schon.

Eine Rolle gespielt haben für ihn auch bauliche Aspekte im Wachthaus. „Je älter man wird, desto schwerer ist die Treppe zu bewältigen“, geht er auf die Lage des Restaurants im ersten Obergeschoss ein. Dazu kam in den vergangenen Jahren auch die Unsicherheit, wie es mit dem historischen Gebäude weitergeht (siehe Infokasten).

Auch wenn er nun einen Schlussstrich zieht - seine Zeit im Wachthaus hat Tino Adornetto in vollen Zügen genossen. „Ich hatte hier den schönsten Arbeitsplatz in Kirchheim, mitten im Herzen der Stadt, mit einem wundervollen Ausblick“, schwärmt er. Vor allem Fisch und frisches Gemüse hat er seinen Gästen neben Klassikern wie Pizza und Pasta serviert. „Mindestens drei Mal die Woche bin ich in den vergangenen 30 Jahren nach Albershausen gefahren, um frischen Fisch zu holen“, erzählt er. Zu seinem Tagesablauf gehörten auch Besuche des Großmarkts in Stuttgart und die morgendliche Lektüre des Teckboten: „Wenn man sich mit den Kunden unterhalten möchte, dann muss man immer wissen, was los ist“, sagt er. Politisch interessiert ist Tindaro Adornetto seit jeher. Für die Kommunalwahl im Mai hat er sich nun zum zweiten Mal auf die Liste der Freien Wähler setzen lassen.

An seiner Seite gestanden hat stets seine Frau Patrizia. „Sie ist seit 30 Jahren die Seele des Wachthauses - die Gäste lieben sie“, sagt er. Wann immer es einen Engpass gab, sprang sie ein. „Anders geht es in einem solch kleinen Betrieb auch gar nicht“, weiß Tino Adornetto. Auch das soll sich künftig ändern. Über 220 Plätze innen und 70 weitere im Außenbereich verfügen die beiden Restaurants in Stuttgart. Entsprechend viel Personal ist eingestellt. „Da ist es viel leichter, Ersatz zu finden, wenn mal jemand ausfällt.“ Tino Adornetto hofft für die Zukunft auch auf längere Auszeiten als bisher. „Ich möchte gerne in Europa reisen und auch mal länger als zwei Wochen in Sizilien verbringen.“

Von dort kommt Tino Adornetto 1968 im Alter von elf Jahren zusammen mit seiner Mutter und sechs Geschwistern nach Kirchheim. Sein Vater arbeitet schon seit ein paar Jahren in der Teckstadt, als er seine Familie nachholt. Nach der Schule lernt Tindaro Adornetto Elektromaschinen-Bauer bei AMK. „Ein toller Beruf“, sagt er. Trotzdem schlägt sein Herz für die Gastronomie. „Ich habe während meiner Ausbildung immer wieder in Restaurants ausgeholfen, um mir etwas dazuzuverdienen“, erinnert er sich zurück. 1982 macht er sich selbstständig und eröffnet in Häringen den „Krug“. 1988 bietet sich Tino Adornetto die einmalige Chance, ein Restaurant im Wachthaus zu eröffnen. „Das war mitten in meinem persönlichen Zentrum, in der Nähe von MAF und Rollschuhplatz und das absolut tollste, was mir passieren konnte.“

Auch wenn er künftig nicht mehr Wirt im Wachthaus ist - „Kirchheim ist und bliebt meine Stadt“, versichert Tindaro Adornetto. Was ebenfalls bleibt, ist das italienische Restaurant. Geführt wird es künftig von Daniel Rau, der bereits das Bistro und den Biergarten im Erdgeschoss des Wachthauses betreibt. „Es wird einen nahtlosen Übergang geben“, verspricht Rau. Eröffnung ist schon am 1. April.

Entscheidung über Verkauf und Sanierung steht an

2013 vereinbart die Stadt Kirchheim mit der Stuttgarter Brauerei Dinkelacker, Pächterin des Wachthauses, das Fachwerkgebäude 2019 zu sanieren.

2016 fasst der Kirchheimer Gemeinderat den Grundsatzbeschluss, das Wachthaus zu verkaufen. Die Sanierungspläne werden deshalb vorerst auf Eis gelegt.

Im Herbst 2018 berät der Kirchheimer Gemeinderat die Eckpunkte eines Verkaufs des Wachthauses und beauftragt die Verwaltung, die Kosten für eine Sanierung des Wachthauses zu prüfen.

Entscheiden wird sich die Frage, ob das Gebäude verkauft wird oder in städtischem Eigentum bleibt, voraussichtlich in den kommenden Wochen. Fest steht schon jetzt, dass der ursprünglich angedachte Sanierungszeitraum von Mitte 2019 bis Mitte 2020 nicht eingehalten werden kann. Falls die Stadt das Wachthaus nicht verkauft, soll das Gebäude nach der Sommersaison 2020 saniert werden. Eine entsprechende Vereinbarung hat die Stadt bereits mit der Pächterin getroffen. pm