Kirchheim

Vorsicht vor dem Trickbetrug

Innenstadt Händler warnen vor Wechselgeldfallen, betrügerischen Unterschriftensammlern und Bettlern, die einem aus Dankbarkeit um den Hals fallen. Von Andreas Volz

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Symbolbild: Carsten Riedl

Ralf Gerber schlägt Alarm: Der Stadtrat und Ladeninhaber beobachtet immer wieder, wie Menschen um Unterschriften betteln, etwa um die Lage von Taubstummen zu verbessern. Wer unterschreibt, wird im Anschluss um eine Spende gebeten. Wild gestikulierend zeigen die Unterschriftensammler dann auf die größeren Geldscheine im Portemonnaie ihrer Opfer. Später müssen diese feststellen, dass ihnen der Geldschein, den sie gar nicht spenden wollten, trotzdem fehlt. Und wem ein „Spenden“-Sammler zum Dank um den Hals fällt, dem fehlt am Ende oft der Schmuck.

Ralf Gerber stellt sogar fest, dass Kunden bis hinein in die Läden „verfolgt“ werden. Er fürchtet, dass die Innenstadt ins Hintertreffen geraten könnte: „In Einkaufszentren kann man diese Trickbetrüger vor die Tür setzen. In der Innenstadt geht das nicht.“ Wenn er sich an das Ordnungsamt wende, heiße es immer: „Da kann man nichts machen, solange die nicht massiv auf die Leute zugehen.“ Das bringt Ralf Gerber auf die Palme: „Genau das machen die aber mit ihrer Unterschriftensammlung. Die gehen massiv und aggressiv auf die Leute zu.“

Weil er nicht weiß, was helfen kann, setzt er auf Aufklärung: „Wer glaubt, durch eine Spende Gutes zu tun, weil vielleicht noch ein EU-Logo auf dem Unterschriftenformular auftaucht, irrt. Das ist meistens Quatsch.“ Die Personen, die da betteln oder in betrügerischer Absicht Unterschriften sammeln, seien bedauernswerte Menschen. „Aber man hilft ihnen nicht, wenn man ihnen Geld gibt. Das Geld landet beim Auftraggeber. Der Einzelne hat gar nichts davon.“

Bei der Stadt Kirchheim ist das Problem bekannt. Allerdings wird es in einer schriftlichen Antwort der Verwaltung relativiert: „Betteln ist ein Dauerthema, überwiegend handelt es sich hierbei aber um kein aggressives Betteln. Aggressives Betteln liegt dann vor, wenn angebettelte Personen festgehalten, angefasst, bedrängend verfolgt oder durch massives Auftreten mehrerer Personen belästigt oder bedroht werden.“

Wenn notwendig, gehe der Vollzugsdienst dagegen vor, auch unterstützt durch die Polizei. Es gehe darum, die Personalien und gegebenenfalls den Aufenthaltsstatus zu überprüfen. Anhand ihrer Stellungnahme muss die Stadt aber alles im Griff haben, denn „auch das Aussprechen von Platzverweisen wird vom Vollzugsdienst erfolgreich angewandt, wenn dies möglich und geboten ist“.

Dass häufig organisierte Gruppen am Werk sind, hat die Stadtverwaltung ebenfalls festgestellt: „Wichtig wäre es, an die jeweiligen Hintermänner zu gelangen.“ Hinweise auf die Fahrzeuge, mit denen Bettler in die Stadt gelangen, leite der Vollzugsdienst deswegen an die Polizei weiter. Wer Straftaten wie einen Trickdiebstahl beobachtet, sollte unbedingt sofort die Polizei benachrichtigen.

Eine Schwierigkeit der Polizei besteht darin, dass sie meistens nicht schnell genug am Tatort eintreffen kann. Pressesprecher Frank Natter vom Polizeipräsidium Reutlingen erklärt: „Nur in den wenigsten Fällen ist noch jemand anzutreffen. Das liegt sicherlich auch an der sehr hohen Mobilität dieser Personen, die nur selten länger als ein paar Minuten an derselben Stelle verweilen.“

Die Bettelkriminalität sei kein exklusives Kirchheimer Problem, sagt er. Seit 2016 registriere die Polizei einen spürbaren Anstieg von Meldungen über Bettler. Frank Natterer warnt aber vor einem Pauschalverdacht: „Man sollte hier nicht jenen Personen oder auch Organisationen Unrecht tun, die nichts Böses im Schilde führen.“ Deshalb wolle die Polizei lieber grundsätzlich informieren und den Bürgern ein Gefühl dafür geben, in welchen Situationen Vorsicht angebracht ist.

Mit uniformierten wie mit zivilen Streifen will die Polizei Verbrechen eindämmen. Das gilt nicht nur für Bettelkriminalität, Spenden- oder Trickbetrug. Es gilt auch in Wohngebieten - bei der Prävention von Einbruchskriminalität oder an Brennpunkten, wo häufig randaliert wird. Letztlich sei aber immer jeder selbst gefragt, entsprechend vorsichtig zu sein.

Gesundes Misstrauen bewahren und Abstand halten

Die Polizei unterscheidet zwischen passivem Betteln, Musizieren, Unterschriften sammeln und Umfragen einerseits, und aggressivem Betteln sowie Betteln und Sammeln unter falschen Vorwänden oder Trickdiebstahl andererseits. Letzteres erfüllt den Tatbestand des Betrugs. Aggressives Betteln ist in Kirchheim eine Ordnungswidrigkeit. Die erstgenannten Tätigkeiten sind weder untersagt noch bedürfen sie einer Genehmigung.

Frank Natterer rät: „Der beste Schutz ist, sich von aggressiven Bettlern oder Unterschriftensammlern gar nicht erst ansprechen zu lassen.“ Falls doch, sollte man auf ausreichenden Körperabstand achten. Will man trotz allem spenden, ist Vorsicht geboten - im Hinblick auf Geldbeutel und Taschen. Auch auf die organisierte Bettelei verweist der Polizeipressesprecher: „Jeder entscheidet selbst, ob er etwas gibt. Er muss aber wissen, dass in den seltensten Fällen, wenn Bettlergruppen unterwegs sind, die Leute das Geld auch behalten dürfen.“ vol