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Wann fließt der Strom?

Warum fährt man an den Bodensee? Weil es dort schön ist. Warum fuhr man früher mit dem Drahtesel an den Bodensee? Weil man als Jungspund kurz nach dem Krieg noch kein Auto zur Verfügung hatte, erzählt der Vater. Und warum kombiniert man heutzutage Bahn und Rad zum Kurztrip ans Schwäbische Meer? Weil es das Baden-Württemberg-Ticket gibt, eine Möglichkeit, günstig das Ländle zu erfahren. Eigentlich ideal, wenn die Bahninfrastruktur funktioniert. Allerdings ist man nicht mehr überrascht, wenn etwas nicht funktioniert: Die Klimaanlage, Türen, Toiletten, der Zug ausfällt, die Verspätung sich expotenziert. Alles erlebt. 420 Minuten unfreiwilliger Aufenthalt im Bahnhof von Augsburg 2014 ist der bisherige Rekord. Ein Sturm war Schuld. Sieben Stunden bis zur Erkenntnis, den Zug über Donauwörth umzuleiten.

Doch die Bahn investiert. Alles wird besser: Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm wird gebaut. Doch die Region Bodensee-Oberschwaben-Allgäu liegt nach wie vor im sogenannten „Dieselloch“. Was das bedeutet? Von Friedrichhafen quält sich die Diesellok mit einer Handvoll Wagen hi­nauf in Richtung Ulm. Für Radler bleibt da gerade einmal ein halber Waggon. Wenn aber an einem schönen Tag viele Radler das gleiche Ziel haben, dann wird es eng. Letztes Jahr musste eine Gruppe von zehn Radlern am Abend auf den nächsten Zug nach Stuttgart hoffen, das Radabteil war völlig überfüllt. Zum Glück fuhr ja noch ein Zug an diesem Abend. Nach 19 Uhr fahren von Friedrichshafen nach Plochingen gerade mal noch zwei Züge, die Radler mitnehmen (ohne IC). Ist das ein Armutszeugnis für die Bahn? Die Südbahn hätte nach der ursprünglichen Planung Ende dieses Jahres elektrifiziert sein sollen. Ein Spatenstich für die Südbahn könnte nun frühestens 2017 erfolgen. Geschätzte 226 Millionen Euro soll das Projekt kosten. Peanuts im Vergleich zu Stuttgart 21.

Die Elektrifizierung der ältesten Eisenbahnstrecke in Württemberg, die Südbahn, ist seit vielen Jahren eine Hängepartie. Sollten aber Elektro-Loks auf einer der letzten, rund 100 Kilometer langen Dieselzugstrecke im Land eingesetzt werden können, so werden die Züge länger werden und mehr Radler könnten transportiert werden, die Verspätungen würden auch abnehmen, die Zahl der Verbindungen zunehmen. Theoretisch. Wir werden es noch erleben und freuen uns darauf, auf einen weiteren „Tag am Meer“, dem Schwäbischen. JÖRG BÄCHLE