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War der Treppensturz ein versuchter Totschlag?

Justiz Ein in Kirchheim wohnender Vietnamese sitzt wegen mehrerer Gewaltdelikte auf der Anklagebank.

Kirchheim. „Versuchter Totschlag“ steht es auf der Tagesordnung des Schwurgerichts am Stuttgarter Landgericht. Auf der Anklagebank sitzt ein 57-jähriger Vietnamese, der schon seit vielen Jahren mit seiner Familie in Kirchheim lebt – und der laut Anklage unter anderem einen seiner Hausbewohner die Treppe hinunter geworfen und dabei schwer verletzt haben soll.

Es ist kein einfacher Fall für die Richter in Stuttgart, die seit dem gestrigen Freitag gegen den 57-jährigen gelernten Schneider verhandeln. Es beginnt schon damit, dass die ihm vorgeworfenen Taten – nicht nur der Treppensturz, sondern eine Vergewaltigung und Körperverletzung – schon zwei Jahre zurückliegen. Und dass die Ermittlungsbehörden offensichtlich zu langsam arbeiteten, weshalb das Stuttgarter Oberlandesgericht den Angeklagten aus der Untersuchungshaft entließ; Spätestens sechs Monate nach Festnahme muss ein Prozess beginnen. Diese Frist ist hier nicht eingehalten worden.

So erscheint der Angeklagte mit seinem Verteidiger als freier Mann im Gerichtssaal. Die Staatsanwältin wirft ihm vor, im Mai 2018 bei einem Essen mit Freunden ausgerastet zu sein. Es habe Streit untereinander gegeben, wohl auch alkoholbedingt, und der 57-Jährige habe dabei plötzlich den Bewohner durch die Türe geschoben und eine Treppe hinuntergestoßen. Bei dem Sturz erlitt das Opfer neben einem Schädelbasisbruch noch verschiedene weitere erhebliche Verletzungen, heißt es in der Anklage.

Neben diesem Vorwurf, den die Anklage als versuchten Totschlag und Körperverletzung einstuft, geht es in dem Verfahren auch noch um eine Vergewaltigung, ebenfalls mit Körperverletzung. Im Streit mit seiner heute von ihm geschiedenen Ehefrau soll er ihr im Dezember letzten Jahres wegen seiner vermuteter Beziehung zu einem anderen Mann zuerst das Mobiltelefon abgenommen und sie dann vergewaltigt und verletzt haben.

In der Anklage Nummer drei geht es ebenfalls um einen körperlichen Übergriff mit Verletzungsfolgen: Der Beschuldigte soll kurz nach seiner Vergewaltigungstat auch gegen den 19-jährigen Sohn gewalttätig geworden sein; Er habe den junge Mann mehrfach geschlagen und auf den Boden geworfen. Zwei wuchtige Schläge auf den Kopf zitiert die Staatsanwältin in der Anklageschrift. Die Folge. Erhebliche Verletzungen am Kopf, Auge und an den Gelenken.

Der Angeklagte berichtet am ersten Prozesstag, dass er im Jahre 1989 über die damalige DDR nach Deutschland und dann nach Kirchheim kam. Anfangs habe er als Gleisarbeiter sein Geld verdient, später, nach der Wende sei er dann bei einem Unternehmen in Kirchheim angestellt gewesen. 1990 habe er in seiner Heimat Hanoi geheiratet, kam mit der Frau hierher, die Ehe ging allerdings in die Brüche. Die zweite Ehe sei nunmehr in Trennung, sagt er dem Gericht. Er wohne in einer Eigentumswohnung in Kirchheim, die seiner Ex-Frau gehört und für die er Miete zahle. Er habe zwei Kinder.

Zur Sache selbst will der Angeklagte derzeit keine Angaben machen. Sein Verteidiger gibt bekannt, dass er zu dem angeklagten Geschehen für seinen Mandant eine entsprechende Erklärung abgeben werde. Ob der 57-Jährige zu den angegebenen Tatzeiten betrunken war, wollen die Richter später von einem Sachverständigen klären lassen.

Das Stuttgarter Schwurgericht hat zur Klärung der Vorfälle und der Zeugenvernehmung 14 Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil ist für den 14. Februar vorgesehen. Bernd Winckler