Coronavirus
„Was komplett fehlt, ist das ganze Soziale“

Coronafolgen Seit vergangener Woche sind die Schulen im Land geschlossen. Eine Kirchheimer Grundschullehrerin schildert ihren Alltag im„Homeschooling“. Von Peter Eidemüller

Die E-Mail geht um 7.20 Uhr raus: „Musik aufdrehen und tanzen“, schreibt Claudia Aufleger ihren Schülern - zu Beginn der ersten Mathestunde sollen die Zweitklässler der Freihof-Grundschule ein Zähllied auf Englisch singen. Den Link auf die entsprechende Internetseite unterschreibt die Klassenlehrerin mit „Viel Spaß und viele Grüße“.

Kleine Impulsübungen wie diese landen jeden Morgen in den virtuellen Briefkästen der Eltern, seit infolge der Coronakrise „Homeschooling“ angesagt ist. Nachdem das Land die Schulen dicht gemacht hatte, begannen Claudia Aufleger und ihre Kolleginnen aus den Parallelklassen nicht nur Ideen für wochenfüllende Aufgaben zu sammeln - vor allem war eine lückenlose E-Mail-Adressliste nötig, um alle Schüler mit Stoff versorgen zu können. „Das lief problemlos, wir erreichen fast alle Kinder auf diesem Wege“, freut sich Claudia Aufleger, die ihren 19 Schülern nun bis zu den Osterferien, immer eine Woche im Voraus, für jeden einzelnen Tag Aufgaben in Mathe und Deutsch zukommen lässt.

Was der 32-jährigen Pädagogin, die seit 2012 im Schuldienst tätig ist, dabei noch fehlt, ist Feedback der Eltern: Sind die Vorgaben verständlich, die Anweisungen klar, die Aufgaben nicht zu schwierig? Dass die Eltern nicht permanent am PC sitzen können, um ihr zu antworten, ist ihr jedoch bewusst. „Klar, die Menschen müssen sich in dieser außergewöhnlichen Situation erst einmal selbst organisieren“, weiß sie, „aber wir gehen davon aus, dass wir bald Rückmeldungen bekommen werden, um uns ein Bild machen zu können.“

Die sind auch wichtig, schließlich fehlt den Lehrern vor allem der persönliche Kontakt zu den Kindern, um überblicken zu können, wie sie reagieren. „Schule ist durch die Schließungen momentan auf den reinen Unterricht reduziert“, sagt Claudia Aufleger, „was komplett fehlt, ist das Erziehen, das Lösen von Konflikten und das ganze Soziale.“

Das gilt nicht zuletzt für die Kinder, deren Eltern die Notfallbetreuung in der Schule in Anspruch nehmen müssen: Von den 242 Freihof-Grundschülern sind drei vor Ort. „Überraschend wenig“, wie Claudia Aufleger findet und von gespenstischer Stille im Schulhaus berichtet: „In den leeren Gängen hallt jeder einzelne Schritt wider.“

Kopf frei fürs Vorbereiten

Die Notbetreuung teilt das Kollegium unter sich auf, Claudia Aufleger ist einmal pro Woche eingeplant. Ansonsten unterrichtet sie komplett von zu Hause aus, was allen Herausforderungen und Schwierigkeiten zum Trotz auch Vorteile hat: „Man kann viel selbstbestimmter arbeiten und hat den Kopf fürs Vorbereiten frei“, sagt sie, nicht ohne ihre Klasse von Herzen zu vermissen. „Aber wir versuchen, für die Kinder das Beste draus zu machen.“

Dass im schlimmsten Fall Klassenziele nicht erreicht werden oder die Schüler vor einem „verlorenen Jahr“ stehen, wie Pessimisten mancherorts bereits unken, glaubt Claudia Aufleger nicht: „Kinder in dem Alter sind sehr flexibel, die stellen sich schneller auf solche Situationen ein als wir Erwachsene.“