Kirchheim

Was Schüler interessiert:Von Corona bis Cannabis

Schule Die Kirchheimer Bundestagsabgeordnete Renata Alt steht mit ihren Kollegen Michael Hennrich und Matthias Gastel Schülern der Freihof-Realschule Rede und Antwort. Das Format kommt gut an. Von Thomas Zapp

Das Brummen der Entlüftungsanlage gehörte zum Sound dazu, störte die rege Fragestunde der Schüler aber nicht.Fotos: Markus Bränd
Das Brummen der Entlüftungsanlage gehörte zum Sound dazu, störte die rege Fragestunde der Schüler aber nicht. Fotos: Markus Brändli

Dieses Format würde man sich für so manche Talkshow wünschen: Drei Politiker bekommen Fragen aus dem Publikum und haben eine Minute Zeit für die Antwort. „Nach 50 Sekunden wird angeklingelt“, erklärt Clemens Großmann, Rektor der Kirchheimer Freihof-Realschule. Das bedeutet: Es gibt noch zehn Sekunden Zeit, um die Antwort abzuschließen. Die rund 60 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 10 haben nach einer erfrischend kurzen Vorstellungsrunde dann auch keine Scheu, den drei Bundestagsabgeordneten Renata Alt (FDP), Michael Hennrich (CDU) und Matthias Gastel (Grüne) ihre Fragen zu stellen. Die Bandbreite reicht von Cannabis über Klima und Atomkraft bis zur Flüchtlingskrise. Und ja, auch um Corona geht es, denn viele wollen wissen, ob Schulschließungen geplant sind.

„Ich gehe nicht davon aus“, sagt Matthias Gastel. Denn man habe aus dem März gelernt, dass Kinder und Jugendliche zu kurz gekommen sind. Man wolle lieber auf die konsequente Nutzung der Maske setzen. „Man kann heute viel zielgerichteter reagieren“, sagt er. Michael Hennrich hält Schließungen für möglich, aber man hoffe, einen flächendeckenden Lockdown zu vermeiden. Renata Alt lobte bei der Gelegenheit die Schüler der Freihof-Realschule. Sie habe gesehen, wie sich alle an die Regeln halten. In ihrer Heimat Slowakei sei das anders. „Dort wird es wieder einen Lockdown geben“, sagt sie. Die Infektionen hätten sich dort verbreitet, weil die meisten sich nicht an die Regeln halten.

Ein anderer Schüler fragt, wie man die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise bewältigen könne. Durch zukunftsorientiertes Wirtschaften, meint Hennrich, fügt aber hinzu, dass die Folgen während der Finanzkrise im Vergleich deutlich schlimmer waren. „Ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen“, sagt der CDU-Abgeordnete. Die Liberale ­Renata Alt warnt, dass irgendwann irgendjemand die staatlichen Schulden im Zuge der Corona-Krise bezahlen müsse. Sie kritisiert, dass Geld teilweise „mit der Gießkanne“ ausgeschüttet wurde. In dasselbe Horn stößt Matthias Gastel: „Es geht um zielgerichtete Hilfen. Die Senkung der Mehrwertsteuer hat das Gegenteil bewirkt: Sie kostet viel, bringt wenig.“ Er betont aber auch, dass 70 Prozent der wirtschaftlichen Folgen in Deutschland „gesamtwirtschaftlichen Verwerfungen“ geschuldet seien, lediglich 30 Prozent seien dem Lockdown und der Verunsicherung der Verbraucher zuzuschreiben.

Wann ein möglicher Impfstoff kommen könnte, wollte eine Schülerin wissen und hatte mit Gesundheitsexperten Michael Hennrich und der studierten Biochemikerin Renata Alt zwei fachkundige Experten als Ansprechpartner. Zwei Unternehmen könnten bereits Ende Oktober oder Anfang November die Zulassung für einen Impfstoff erhalten. Danach ginge es aber um die Verteilung: Es dauere mindestens bis Ende 2021, bis alle getestet sind. Alt betont, dass die Sicherheit des Impfstoffes entscheidend sei. Sowohl Nebenwirkungen, Dosis und Wirkdauer müssten erforscht werden und das dauere. Ihr Fazit: „Zwei Jahre müssen wir mindestens lernen, mit Corona umzugehen.“

Keine Scheu vor komplexen Themen zeigen die Zehntklässler: Kohleausstieg ist so eins: Warum es nicht schneller als bis 2038 geht, will eine gut informierte Schülerin wissen - und ob Atomkraft nicht vorübergehend eine gute Alternative sei, ein anderer. Mehr alternative Energien fördern, früher aussteigen und auf keinen Fall Atomkraft wegen der Brennstäbe-Problematik, sagt Grünen-Abgeordneter Gastel. Der CDU-Mann Hennrich befürwortet dagegen zumindest übergangsweise Atom­energie, um die Versorgungssicherheit zu gewährleis­ten. „Wir müssen aufpassen, keine Blackouts zu erleben. Und für den Ausbau der regenerativen ­Energien brauchen wir Speicher und Trassen“, sagt er.

Die Themen werden pointiert und differenziert wiedergegeben, denn das Format lässt für Phrasen keine Zeit. Und auch die Legalisierung von Cannabis findet einen Platz in der Diskussion: Als Einstiegsdroge gefährlich, meinen Alt und Hennrich, aber eine kontrollierte Freigabe halten sie wie Matthias Gastel für möglich. „Damit wird Polizei und Richter von unnötigen Verfahren, die eh eingestellt werden, entlastet“, sagt Matthias Gastel. Ein kurzweiliger Morgen geht für die Schüler nach anderthalb Stunden zu Ende.

Ausstellung läuft bis zum 16. Oktober

Freihof realschule, Ausstellungseröffnung und Podiumsdiskussion, Ausstellung Deutscher Bundestag, Diskussion mit Alt, Hennrich u
Freihof realschule, Ausstellungseröffnung und Podiumsdiskussion, Ausstellung Deutscher Bundestag, Diskussion mit Alt, Hennrich und gastl

Die Wanderausstellung des Deutschen Bundestages gastiert auf Einladung von Abgeordneten in deren Wahlkreis. Auf 21 Schautafeln werden wesentliche Informationen über den Deutschen Bundestag vermittelt. Das Angebot für die Besucherinnen und Besucher umfasst eine Vielzahl von Informationsmaterialien zur kostenlosen Mitnahme. Auf zwei Computerterminals können dazu Filme und der Internetauftritt des Deutschen Bundestages angeschaut werden.

Renata Alt hat für den Wahlkreis 262 (Nürtingen) die Ausstellung in die Freihof-Realschule in der Wollmarktstaße 28 in Kirchheim geholt. Die Schau ist dort noch bis zum 16. Oktober zu sehen. Begleitend hat die Kirchheimer FDP-Politikerin zwei weitere Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis zu einer Diskussion eingeladen. Es fehlte lediglich Nils ­Schmid. Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag hatte einen Termin in Warschau. Die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 10 bekommen damit eine kleine Entschädigung für die wegen der Corona-Krise ausgefallene Berlin-Reise zum Bundestag.zap