Coronavirus

Wenige Kinder in Kirchheim in Notbetreuung

Krise An der Regelung, dass beide Elternteile in „systemrelevanten“ Berufen arbeiten, um den Nachwuchs betreuen zu lassen, will das Land nicht rütteln. Von Iris Häfner

So leer wie an der Kindertagesstätte „Altes Gemeindehaus“ in Kirchheim sieht es derzeit fast überall aus. Nur wo Notfallbetreuun
So leer wie an der Kindertagesstätte „Altes Gemeindehaus“ in Kirchheim sieht es derzeit fast überall aus. Nur wo Notfallbetreuung stattfindet, ist noch Leben in der Bude. Foto: Jean-Luc Jacques

Sozialkontakte vermeiden, wo es bloß geht, das ist die Strategie, an der das Land nicht rütteln will. „Soziale Kontakte runterfahren, das ist unser Ansatz“, stellt Andreas Schwarz, Fraktionsvorsitzender der Landtags-Grünen und hiesiger Abgeordneter, klar. Ausnahmen davon gibt es nicht. Deshalb gilt auch weiterhin, dass nur dann Kinder in die Notfallbetreuung kommen dürfen, wenn beide Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiten. Das sind beispielsweise Polizisten, Angestellte im Lebensmittelhandel, Ärzte sowie Pflegekräfte in Kliniken und Seniorenheimen. Auch Mitarbeiter in Apotheken, bei Energie-, Wasser- und Abfallentsorgungsunternehmen gehören dazu - zwischenzeitlich auch die Landwirtschaft. In Zeiten wie diesen versteht es sich eigentlich von selbst, dass unter diese Kategorie zudem der medizinische Sektor fällt: beispielsweise labordiagnostische Tätigkeiten und mobile Testcenter, die Produktion von Desinfektionsmitteln, Mundschutz und Schutzkleidung.

Bei der „Eltern-Kombination“ Altenhilfepflegerin und Mecha- troniker in der Industrie muss deshalb einer zu Hause bleiben, um die Kinder zu versorgen beziehungsweise zu „bespaßen“ oder bei den Hausaufgaben zu helfen. „Die Kinder sollen sich nicht begegnen, weder in der Schule noch im Kindergarten oder in der Kita. Stay at home ist das Gebot der Stunde“, sagt Andreas Schwarz. Menschen, die in Apotheken, Pflegeheimen oder Lebensmittelläden arbeiten seien wichtig, sie stellen den Betrieb sicher, damit die Gesellschaft nicht zusammenbricht. Auch die Freiwillige Feuerwehr sei wichtig.

„Deswegen benötigen wir die Notfallbetreuung, wenn beide Elternteile in solchen Berufen arbeiten. Das ist eine Abwägung, denn wir brauchen jede Arbeitskraft“, sagt Andreas Schwarz. Nur deren Kinder dürfen in die Betreuung, lediglich in solchen besonderen Fällen werde die Begegnung zwischen den Kindern und den Erziehern in Kauf genommen. „Alle anderen bleiben schlicht zu Hause. Es gibt Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber und Lohnfortzahlung, wenn die Mitarbeiter daheim die Kinder betreuen“, erklärt der Grünen-Politiker. So könnten auch Begegnungen in Büros, S-Bahnen und auf der Straße reduziert werden.

Gefordert sei jetzt ein hohes Maß an Solidarität und Disziplin, die persönlichen Kontakte herunterzufahren. „Es gibt Videokonferenzen mit guter Bildübertragung. Ich habe so ein Vorstellungsgespräch geführt. Das geht. Man muss sich disziplinieren, Regeln und einen klaren Zeitrahmen vereinbaren. So kann man die soziale Kommunikation auch sicherstellen“, sagt Andreas Schwarz. Ihm ist bewusst, wie groß die Herausforderung ist. „Ich habe heute Mathe und Deutsch mit meiner Tochter gelernt. Das ist für Eltern und Kinder anstrengend - aber momentan die einzige Lösung, um die Verbreitung des Virus einzudämmen“, stellt der Politiker unmissverständlich klar.

In Kirchheim fallen rund 40 Kinder in die Notfallregelung, das heißt, beide Eltern arbeiten in Betrieben, die zur kritischen Infrastruktur zählen. „Die ganze Bandbreite ist dabei: öffentlicher Nahverkehr, Rettungsdienst, Telekom, Polizei, Apotheken, öffentliche Infrastruktur, Energie, Wasser, Müll“, sagt Jasmin Kögel, Mitarbeiterin der Stadt Kirchheim der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit. Die Kinder sind in Kleingruppen aufgeteilt. Die Unter-Sechsjährigen gehen in den Kindergarten oder die Kita, die Kinder der Klassen eins bis sechs in die Schule. Insgesamt gibt es drei Kitagruppen und sechs Schulgruppen.

Für die Tagesmütter gelten die gleichen Regelungen. Sie dürfen die Kinder weiterhin betreuen - wenn eben beide Eltern unter die entsprechenden Berufsgruppen fallen. Ansonsten bleiben auch diese Kinder einfach wie die andern zu Hause.

 

Info Der Berliner Senat hat dagegen die Regelungen für die Notfallbetreuung gelockert. Jetzt reicht ein Elternteil in einem systemrelevanten Beruf, um die Kinder in die Notfallbetreuung schicken zu können. Auch das Land Nordrhein-Westfalen hat jetzt diese Regelung.