Kirchheim

Widerholts Pokal „wandert“ wieder

Goldschmiedekunst Kirchheim stellt dem Augsburger Maximilianmuseum eines der Glanzstücke für die Ausstellung über den „letzten Ritter“ zur Verfügung – vom 15. Juni bis zum 15. September. Von Andreas Volz

Viola Fichtenkamm holt den Widerholt-Pokal nur mit Handschuhen aus seinem Futteral.Fotos: Jean-Luc Jacques
Viola Fichtenkamm holt den Widerholt-Pokal nur mit Handschuhen aus seinem Futteral.Fotos: Jean-Luc Jacques

Kirchheim hat den Pokal - und zwar schon seit 1667. Nach Konrad Widerholts Tod vor 352 Jahren ist das Prunkstück ins Eigentum der Stadt übergegangen - testamentarisch vermacht vom einstigen Obervogt höchstpersönlich. Auch wenn es sich beim „Widerholt-Pokal“ seit jeher um einen Reisepokal handelt, ist er doch kein Wanderpokal: In den vergangenen Jahren hat ihn die Stadt zwar oft verliehen, aber nicht als Symbol für sportlichen Erfolg, sondern als Glanzstück hochkarätiger Ausstellungen.

Jetzt kommt eine weitere Ausstellung hinzu: Anfang Juni „wandert“ der Reisepokal aus Kirchheims Museumsbeständen in die alte Reichsstadt Augsburg. Im dortigen Maximilianmuseum dient er als eines der Prunkstücke für die Ausstellung „Maximilian I. - Kaiser. Ritter. Bürger zu Augsburg“. Um falsche Verknüpfungen von vornherein auszuschließen: Das Museum am Fuggerplatz ist nicht nach Kaiser Maximilian I. benannt, sondern nach Maximilian II., bis 1864 König von Bayern.

Kaiserliches Kleinod in Kirchheim

Was hat aber nun ein „Widerholt-Pokal“ aus Kirchheim bei einer Ausstellung über den kaiserlichen „letzten Ritter“ in Augsburg verloren? Weitaus mehr als der heutige Name des Pokals vermuten lässt. Eigentlich stammt das Stück nämlich aus Augsburg, wie Kirchheims Museumsleiterin Stefanie Schwarzenbek berichtet: „Eine Kunsthistorikerin hat den Pokal dem Augsburger Goldschmied Jerg Seld zugeschrieben.“ Wann und warum Jerg (auch Jörg oder Georg) Seld den Pokal geschaffen hat, ist derzeit nicht bekannt. Aber auch hier helfen stilistische Merkmale weiter: „Man ordnet ihn heute eher in der Spätgotik ein als in der Renaissance.“ Deswegen geht Stefanie Schwarzenbek vorsichtig von einer Entstehungszeit zwischen 1490 und 1500 aus.

Allerdings weist die Rückseite des Wappens auf dem Deckel eine spätere Jahreszahl auf: „1510“ heißt es da. Dabei dürfte es sich aber nicht um das „Geburtsjahr“ des Pokals handeln, sondern um das Jahr, in dem das Wappen hinzukam: 1510 weilte Kaiser Maximilian mal wieder in Augsburg und erhielt den Pokal wahrscheinlich als Geschenk. Der Doppeladler zeigt als Herzstück ein Doppelwappen, das eindeutig auf den Beschenkten verweist: links die österreichischen Farben des Habsburgers Maximilian, rechts die burgundischen Farben seiner ersten Gemahlin - Maria von Burgund, einzige Tochter Karls des Kühnen. Sie war bereits 1482 als 25-Jährige an den Folgen eines Reitunfalls verstorben. Das burgundische Erbe fiel somit an das Haus Habsburg.

Der Pokal ist also völlig zu Recht eines der wichtigsten Ausstellungsstücke in Augsburg. Wie Stefanie Schwarzenbek sagt, kommt er nicht nur an seinen „Geburtsort“ zurück, sondern wird dadurch auch seinem ursprünglichen Zweck als Reise- und Prunkpokal gerecht - und das nicht zuletzt in Bezug auf einen seiner ersten Besitzer: Maximilian I.

Widerholt-Pokal wandert nach Augsburg
Widerholt-Pokal wandert nach Augsburg

„Getrunken wurde aus diesem Pokal eher selten“, sagt Kirchheims Museumsleiterin. Dennoch gebe es Spuren am vergoldeten Silber der Kuppa - des eigentlichen Trinkgefäßes mit knapp zwei Litern Fassungsvermögen -, die auf eine Zweckentfremdung als Humpen hinweisen. Gerüchteweise soll auch der Kirchheimer Gemeinderat über Jahrzehnte hinweg den Pokal immer wieder zum feierlichen Umtrunk genutzt haben.

Aber das alles liegt ebenso im Dunkeln wie die Frage, warum Konrad Widerholt schließlich den Pokal „gewonnen“ hat. „Das wäre vielleicht einmal ein spannendes Thema für eine wissenschaftliche Arbeit“, meint Stefanie Schwarzenbek. Eines aber ist ganz sicher: Museologin Viola Fichtenkamm ist die Einzige, die den Pokal in Kirchheim anfasst. Sie benutzt dazu zwar keine Samthandschuhe, aber immerhin welche aus Baumwolle. Trinken jedenfalls wird aus diesem Pokal so schnell keiner mehr. Verliehen wird er an die Augsburger auch nur zum Bestaunen - und um den Ruhm der Teck-Stadt Kirchheim zu mehren.