Ohne dass es die Teilnehmer der Zoom-Konferenz „Muslimfeindlichkeit - Einfallstor für Rechtspopulisten“ wussten, bekam das Thema des Abends mit den mutmaßlich islamistischen Anschlägen in Wien grausame Aktualität. Der Düsseldorfer Sozialwissenschaftler Alexander Häusler, der auf Einladung von „Kirchheim. Forum 2030“ seinen Vortrag hielt, warnte vor der Verbindung des islamischen Glaubens mit dem islamistischen Terror als einer von mehreren Techniken rechter Populisten.
Die Religionskritik, so Häusler, werde in der „antimuslimischen Populismus-Schraube“ zu einer generalisierten Zuschreibung negativer Attribute auf Menschen muslimischen Glaubens missbraucht. Rassistische Stereotype macht der Wissenschaftler in der Sprache der Populisten aus. Häusler, der seit 30 Jahren zum Rechtsextremismus forscht, erkennt an mehreren Stellen Parallelen zum Antisemitismus der Nationalsozialisten und macht das etwa an Karikaturen fest, die in rechten Netzwerken kursieren. „Ich bitte die Muslime zu entschuldigen, wenn sie sich unappetitliche Karikaturen ansehen müssen“, warnte er zuvor seine Zuhörer, unter denen sich auch Mitglieder der Sultan-Ahmed-Moschee befanden, darunter auch ihr Vorsitzender Yakub Kambir. Auf den Zeichnungen bekommt ein Muslim einen Fußtritt einer nordisch aussehenden Frau, die ihn aus Europa hinaus katapultiert. Auf einer anderen gräbt sich ein arabisch aussehender Krieger aus dem europäischen Boden hervor. „Hier soll eine innere Landnahme Europas durch den Islam dargestellt werden“, erklärt Alexander Häusler. Dieses Motiv und Begriffe vom „Kalifat Deutschland“ greife auch der AfD-Politiker Björn Höcke immer wieder auf, um Anhänger für Proteste zu mobilisieren.
Assoziationen zu den französischen „Charlie-Hebdo-Karikaturen“ werden geweckt. Auch diese sieht Häusler durchaus kritisch. „Obwohl sie aus einem linksaufgeklärten Millieu stammen, haben sie ein niedriges, primitives Niveau, sind wenig hintergründig“, sagt er in der anschließenden Online-Dikussion.
Ein anderes Bild verstört ebenfalls: Der Wissenschaftler zeigt ein Foto von der KZ-Gedenkstätte Mauthausen in Österreich: „Was unseren Vätern die Juden, ist für uns die Moslemfeindschaft“, ist dort an die Außenmauer geschmiert. Diese Meinung bleibe nicht innerhalb rechtsextremer Kreise, sondern finde mittlerweile den Weg in den politischen Diskurs. AfD-Politiker können von „Kopftuchmädchen“, alimentierten Messermännern“ und „sonstigen Taugenichtsen“ reden und berufen sich auf die „Meinungsfreiheit“. Häusler macht klar, dass es den rechten Populisten um eine Unterbindung der Religionsfreiheit geht. Dafür werde der Mythos einer „Gemeinschaft in einer ethnisch homogenen Nation“ beschworen, Zuwanderung bedeute Terrorismus. „Die islamische Kultur und Religion werden zur zentralen Projektionsfläche für rassistische Akteure“, lautet Häuslers Kernthese.
Am Ende steht die Frage, warum viele Menschen empfänglich für islamfeindlichen Populismus sind. „Begegnung ist das A und O“, sagt er. Wenn eine ältere Dame Bedenken gegenüber anderen Kulturen habe oder wenn jemand Angst vor Muslimen habe, mache sie das nicht zu Rassisten oder Menschenfeinden, betont Häusler. Deutschland habe 2015 zwei Tendenzen gezeigt: Es gab diejenigen, die fürchteten, dass ihnen die Flüchtlinge „die Haare vom Kopf fressen“, andere haben geholfen, Flohmärkte organisiert und dabei die Menschen kennengelernt, die ins Land kamen. „Da sind etwa über Aktionen von Vereinen Leute erreicht worden, die sonst vielleicht woanders gelandet wären“, sagt er. Das zeige: Es brauche niedrigschwellige Angebote, um sich kennenzulernen. Die Muslime müssten ihrerseits dafür sorgen, sich mit ihrer Stimme in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen. Forderungen an muslimische Gemeinschaften, radikalen Tendenzen vorzubeugen, stellte er hingegen nicht.
Es gehe in der Gesellschaft darum, keinen Kulturkampf auszufechten, sondern zu akzeptieren, dass „wir eine Einwanderungsgesellschaft“ sind. „Wichtig ist“, betonte Häusler, noch ohne zu wissen, wie aktuell seine Mahnung ist, „die Trennung von Glaubensfragen und politisch motiviertem Terrorismus.“
Info Der Vortrag gehört zu einer Reihe des „Kirchheim. Forum 2030“ und wird am 12. November, 19.30 Uhr, online fortgesetzt mit dem Thema „Wie können wir Demokratie in unserer Schule erfahren und leben?“ Zoom-Link über https://kirchheim.forum2030.de/