Kirchheim
„Wir sind wie eine Familie“

Porträt Der Dirigent des Kirchheimer VHS-Orchesters Siegfried Hartauer hat jahrelange Erfahrung in der Kammermusik und als Profimusiker bei den Stuttgarter Philharmonikern. Von Rainer Kellmayer

Musikfreunde kennen Siegfried Hartauer als Dirigenten des Kirchheimer VHS-Orches- ters. Weniger bekannt ist hingegen die Profi-Karriere des Geigers, der in Ebersbach-Roßwälden wohnt. Als Sabine Bruns vor fünf Jahren die musikalische Leitung des Kirchheimer Orchesters abgab, waren sich die Ensemblemitglieder schnell einig: Siegfried Hartauer sollte der neue Chef werden. Die Musiker kannten seine musikalischen und menschlichen Qualitäten schon, da er als Aushilfe immer wieder bei Konzerten die Gruppe der Violinen verstärkt hatte. „Über das Vertrauen der Orches- termitglieder habe ich mich sehr gefreut“, erinnert sich Hartauer. Er wurde kameradschaftlich aufgenommen und fühlte sich in der Musiziergemeinschaft von Anfang an sehr wohl: „Wir sind wie eine Familie.“ An die neue Herausforderung ging der Dirigent mit Elan heran - er gewann neue Orchestermitglieder und konzipierte interessante Programme. Dabei konnte er sich auf seine langjährige Profi-Erfahrung als Orchestermusiker bei den Stuttgarter Philharmonikern und seine Expertise als Kammermusiker stützen. Von Hartauers Fachwissen profitieren die Orchestermitglieder: Durch sein dirigentisches Know-how und nicht zuletzt durch eine klar strukturierte Probenkonzeption.

Doch der Musiker weiß: „Bei aller Konsequenz und einem hohen Anspruch darf auch der Spaß nicht zu kurz kommen.“ Eine gute Stimmung im Orchester sei nicht nur wichtig für die Arbeitsatmosphäre, sie bringe auch bessere musikalische Ergebnisse. Der Dirigent will die Tradition bewahren, aber auch eine Frische ins Spiel bringen, die oft aufgeführte Werke neu belebt. Auch bei oft gespielten Repertoirestücken müsse der Zuhörer im Konzert das Gefühl haben, er würde das Werk zum ersten Mal hören. Deshalb erklärt Hartauer in den Proben viel, arbeitet neben der Perfektion des Zusammenspiels intensiv an Intonation und Phrasierung. Und er erläutert seinen Amateurmusikern stets die musikalischen Strukturen und Spannungsverläufe der Kompositionen: „Nur wenn die Musikerinnen und Musiker die Stücke verstehen, können sich adäquate Interpretationen entwickeln.“ Derzeit ruht jedoch coronabedingt die Probenarbeit. Der Dirigent hofft, dass es bald wieder so wird wie vor der Pandemie.

Siegfried Hartauer wurde im rumänischen Siebenbürgen geboren. 1974 siedelte er in die Bundesrepublik um. Zunächst lebte die Familie in München, später wurde Schorndorf zum Lebensmittelpunkt. Bereits mit zwölf Jahren war der Geiger Jungstudent an der Stuttgarter Musikhochschule. „Meine Professorin Susanne Lautenbacher führte mich in die hohe Kunst des Violinspiels ein. Von ihr habe ich - über die reine Instrumentaltechnik hinaus - viel über musikalische Gestaltung und künstlerische Interpretation gelernt“, blickt der Musiker zurück. Das intensive Studium zahlte sich aus. Nach dem Schulabschluss und Wehrdienst im Heeresmusikkorps Ulm wechselte der Geiger als Vollstudent in die Klasse von Professor Hans Kalafusz, ehemals Konzertmeister des Radiosinfonieorchesters Stuttgart. „Kalafusz war ein begeisterter Porschefahrer. Und da auch mich alles rund um den Sportwagenhersteller brennend interessierte, entwickelte sich ein sehr persönliches Verhältnis.“ Wenn sie intensiv an einer Etüde oder einer Violinsonate gearbeitet hatten, sei das Fachsimpeln über Autos eine willkommene Abwechslung gewesen.

Damals war Siegfried Hartauer Konzertmeister im Hochschulorchester, dessen Chefdirigent Thomas Ungar ihn auch in der Dirigentenausbildung unter seine Fittiche nahm. Nach dem Diplom führte der berufliche Weg den Geiger zunächst ins nördliche Ruhrgebiet nach Marl zur Philharmonia Hungarica und später nach Stutt- gart. Dort war er beim Städtischen Orchester nahezu drei Jahrzehnte als Vorspieler der zweiten Geigengruppe engagiert. „Neben dem Orchesterdienst habe ich mich intensiv der Kammermusik gewidmet“, erzählt der Musiker. Mit den Stuttgarter Kammersolisten habe er in ganz Deutschland konzertiert und zahlreiche Aufnahmen eingespielt. Auch pädagogisch war Hartauer, dessen ganzer Stolz seine über 300 Jahre alte Geige aus der Werkstatt des Turiner Meisters Andrea Castagneri ist, immer aktiv. Früher hat er bei den Stuttgarter Philharmonikern Orchesterpraktikanten auf Probespiele vorbereitet - heute gibt er seinen reichen Erfahrungsschatz an fortgeschrittene Privatschüler weiter. Seine Erfüllung findet Siegfried Hartauer in der Familie und beim Musizieren. Und wenn es die Zeit erlaubt, trainiert er die Fitness auf dem Tennisplatz.