Kirchheim

Zeit ist Hirn - und jede Minute zählt

Selbstversuch Mehr als 250 000 Menschen erleiden pro Jahr in Deutschland einen Schlaganfall. Wann ist es an der Zeit, wachsam zu werden, und welche Risiken habe ich selbst? Von Andrea Barner

Vor dem Kirchheimer Kornhaus informierte die Medius-Klinik Kirchheim mit einem Aktionsbus über das Risiko, einen Schlaganfall zu
Vor dem Kirchheimer Kornhaus informierte die Medius-Klinik Kirchheim mit einem Aktionsbus über das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, und wie Angehörige im Ernstfall richtig reagieren.Fotos: Günter Kahlert

Runde Geburtstage bringen außer einer flotten Party auch den einen oder anderen Gedanken an die eigene Gesundheit, den Lebensstil und mögliche „Laster“ mit sich. Bei mir war’s dieses Jahr soweit. Mein Hausarzt nickte eifrig zu meinem Vorschlag, mal das eine oder andere routinemäßig vom Facharzt abchecken zu lassen. Gesagt, getan. Ergebnis: Eigentlich bin ich noch ziemlich gut in Schuss. Glück gehabt!

Ein wichtiges Thema steht noch aus: Welches Schlaganfall-Risiko hab ich eigentlich? Eine berechtigte Frage angesichts von etwa 300 000 Menschen in der Bundesrepublik, die jährlich deswegen behandelt werden.

„Wir haben mehr als 1 000 Schlaganfall-Patienten jedes Jahr“, bestätigt Dr. Uwe Mauz. Das Einzugsgebiet dürfte in etwa dem Altkreis Nürtingen entsprechen. Mauz ist Chefarzt der Neurologie in der Kirchheimer Medius-Klinik und damit auch Chef einer sogenannten „Stroke Unit“. Das ist eine Spezialabteilung mit besonderen technischen und personellen Möglichkeiten, Blutgerinnsel im Gehirn aufzulösen und zu therapieren. Die nächsten Kliniken mit „Stroke Units“ sind in Esslingen, Göppingen und Reutlingen.

Ich treffe Dr. Mauz in der Kirchheimer Max-Eyth-Straße vor dem Kornhaus beim „Aktionstag Schlaganfall“. Einmal im Jahr informieren die Medius-Kliniken die Kirchheimer dort in Zusammenarbeit mit örtlichen Selbsthilfegruppen und dem Verein „buefet“.

Schnell habe ich den kostenlosen Risikotest ausgefüllt. Der verheißt schon in der Überschrift nichts Gutes: Für jeden fünften Betroffenen verläuft der Schlaganfall tödlich oder mündet in dauerhafter Pflegebedürftigkeit. Dieses Schicksal kann jeden treffen. Die zehn Fragen sind einfach zu beantworten. Mein Ergebnis: Ja, ich habe ein erhöhtes Risiko.

Sport ist das A und O

„Das mit dem Übergewicht sehe ich bei Ihnen jetzt nicht so tragisch“, muntert mich Uwe Mauz auf. Rauchen? Besser nicht mehr, und das aus mehreren Gründen, nicht nur wegen des Schlaganfalls. Alkohol? Na gut, entspricht wahrscheinlich dem, was die meisten so im Alltag konsumieren. Könnte aber noch weniger sein. Und jetzt zum A und O: Bewegung, Bewegung, Bewegung. Mach ich ja, immerhin bin ich mit dem Fahrrad gekommen und ich besuche ein Fitness-Studio, wenn auch nicht häufig genug. Mehr geht immer. Denn mehr Sport heißt abnehmen, heißt weniger Blutfette und heißt vor allem niedrigeren Blutdruck. Fein. Mein innerer Schweinehund wetzt schon die Krallen . . .

Erhöhter Blutdruck birgt das höchste Schlaganfall-Risiko. Im knallroten Doppeldecker-Bus messen Schwestern der Krankenpflegeschule wie am Fließband, die Leute stehen Schlange, ich mittendrin. „Das ist jetzt nur die Aufregung“, beschwichtigt mich die junge Frau, die mir einen etwas erhöhten Wert mitteilt. Trotz kleinem Tablettchen am Morgen! Jetzt fehlt noch der Blutzuckerwert. Ein Stupfer in den Mittelfinger, ein Tröpfchen Blut, das war’s. Der Wert ist vollkommen in Ordnung. Mein Herz übrigens auch, das weiß ich vom letzten EKG kürzlich beim Hausarzt. Und damit kann ich das höchste Risiko zumindest vorläufig ausschließen: Vorhofflimmern. Das würde nämlich das Risiko um das 20- bis 30-fache erhöhen.

Vor einem Schlaganfall ist keiner sicher. Auch nicht die junge Sportlerin, die sich gesund ernährt, nie geraucht hat und keinen Alkohol trinkt. Es passiert nur seltener. Wichtig ist, sofort zu reagieren, den Notarzt zu rufen, auch wenn die Symptome schwach sind oder rasch abklingen. „In den ersten anderthalb Stunden sind die Erfolgschancen am höchsten“, gibt Uwe Mauz mir noch mit auf den Weg. Jede Minute zählt. Mein Fazit lautet: mehr Sport, möglichst ein paar Kilo runter, die Zigarette öfter stecken lassen. Und hoffen, dass die Mitbewohner notfalls rechtzeitig reagieren.

Was ist ein Schlaganfall, und was ist zu tun?

Ein Schlaganfall ist eine schlagartig auftretende Durchblutungsstörung im Gehirn aufgrund eines Blutgerinnsels oder einer Hirnblutung. Dabei werden empfindliche Nervenzellen nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt.

Bei Verdacht auf Schlaganfall muss schnell gehandelt werden, am besten sofort die Notrufnummer 112 wählen. Je früher der Patient behandelt wird, desto größer sind seine Chancen.

Mehr Informationen gibt es im Netz unter www.schlaganfall-hilfe.de und www.schlaganfall-hilfe.de/notfall.aba