Kirchheim

Zum Jubiläum ein Buch für alle Jesinger

Ortsgeschichte Das Kirchheimer Stadtarchiv hat unter Mithilfe bewährter Autoren 1 250 Jahre Geschichte wissenschaftlich aufgearbeitet. Auch viele Jesinger haben daran mitgewirkt. Von Andreas Volz

Autoren, Verwaltung und Verleger stellen die neue Ortsgeschichte in der Jesinger Gemeindehalle vor.Fotos: Markus Brändli
Autoren, Verwaltung und Verleger stellen die neue Ortsgeschichte in der Jesinger Gemeindehalle vor.Fotos: Markus Brändli

Knapp 500 Seiten für 1 250 Jahre: Die Autoren der Jesinger Ortsgeschichte haben sich aufs Wesentliche beschränkt. Und trotzdem erfüllt das neue Werk sämtliche Ansprüche, die die Geschichts-Wissenschaft stellt. Wer jetzt denkt, das Buch taugt wohl nur fürs Regal, hat sich allerdings gewaltig getäuscht: Es kommt alles andere als trocken daher und beschreibt auch Skandale und Affären.

Ein Beispiel nannte Kirchheims Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker bei der Vorstellung des neuen Buchs in der proppenvollen Gemeindehalle: „Die Reformation begann mit einem Skandal. Der Pfarrer war nicht unbedingt ein Kind von Traurigkeit. Schon vor der Reformation lebte er mit einer verheirateten Frau zusammen.“ Als sich deren Ehemann beim Schultheißen beschwerte, kam es zu einer handfesten Auseinandersetzung mit dem Pfarrer, der für sich selbst wohl weder die Seligpreisung für die Sanftmütigen noch für die Friedfertigen in Anspruch nehmen konnte.

Lauter rechtschaffene Pfarrer

Letztlich reagierte die Obrigkeit und inhaftierte den renitenten Pfarrer Jakob Toublin. Als er am 24. Februar 1535 außer der „Urfehde“ auch geschworen hatte, dass er das Herzogtum Württemberg unverzüglich verlassen werde, wurde er begnadigt und durch Matthias Schniep ersetzt. Die Oberbürgermeisterin ergänzte dieses Detail aus der Ortsgeschichte um eine eigene Anmerkung: „Toublins Nachfolger in Jesingen war ein rechtschaffener evangelischer Pfarrer - und ich wage hinzuzufügen: So ist es bis heute geblieben.“

Aber nicht nur die Reformation, auch andere Epochen und Ereignisse der „großen Geschichte“ zählte Angelika Matt-Heidecker auf - den 30-Jährigen Krieg etwa, die napoleonische Zeit oder auch das „Dritte Reich“. Was alle diese Themen gemeinsam haben: Sie kommen ausführlich in der Ortsgeschichte vor, „denn alles hatte auch Auswirkungen auf Jesingen“.

Es geht aber im 39. Band der Schriftenreihe des Kirchheimer Stadtarchivs nicht nur um die Geschichte, sondern auch um die Gegenwart Jesingens, wie Ortsvorsteher Christopher Flik erwähnte: „Es gibt wohl keinen Jesinger hier in der Halle, der nicht Porträt gestanden hätte für den Fotografen Ralph Steckelbach.“ Porträtiert sind die Jesinger außer in Bildern auch in zwölf speziellen Zeitzeugen-Porträts. Für den scheidenden Ortsvorsteher steht deshalb fest: „Das Buch kann sich sehen lassen und schafft ein hohes Maß an Identifikation mit unserem Heimatort.“

Kirchheims Stadtarchivar Frank Bauer sprach von einem „Mammutprojekt, das keiner alleine schaffen kann“. Außer seinen Mitautoren - Manfred Waßner, Matthias Ohm, Rosemarie Reichelt, Sabine Widmer-Butz und Renate Schattel - dankte er dem Haus GO Druck Media Verlag für die gewohnt gute Zusammenarbeit sowie allen Jesingern: für die Zeitzeugeninterviews, die Fotografien und zahlreiche Leihgaben. „Sie haben diese Ortsgeschichte erst möglich gemacht. Ohne Sie wäre das nicht gegangen.“

Bezirkskantor Ralf Sach sorgte indessen am Flügel nicht nur für beschwingte Unterhaltung, sondern auch für die passende musikalische Identifikation mit Jesingen, indem er das Jesinger Heimatlied mit einfließen ließ. Die entsprechende Audio-Datei ist das einzige, was der neuen Ortsgeschichte vielleicht noch fehlt.