Kirchheim. Seit der deutsch-italienische Comedian Heinrich del Core nicht mehr unter dem Künstlernamen „Heini Öxle“ auftritt, wirkt er wesentlich internationaler. Auch die Erwartungen des Publikums haben sich gewandelt. Gemeinhin wurde er sofort mit Mundartklamauk und Bauerntheater in Verbindung gebracht. Das schmerzte ihn. Dennoch geht es bei dem auch gerne von Kreuzfahrt-Veranstaltern angeheuerten smarten Entertainer zuweilen nicht nur schwäbisch-international, sondern weiterhin auch recht handfest zu.
Der Erfolg seines moderaten Stilwechsels gibt dem einstigen „Heini Öxle“ aber zweifellos recht, denn sein Alter ego Heinrich del Core konnte die im letzten Jahr vorgegebene eigene „Quote“ aus dem Stand locker toppen. Auf seine vorwitzige Frage an die „Neuzugänge“, wo sie den bei seinem Auftritt als „Inländer“ waren, erhielt er die schlagfertige Antwort „beim Ausländer.“
Vor fast vollem Haus befasste sich Heinrich del Core dann facettenreich und unausgewogen mit seinem kaum erahnbaren Migrationshintergrund. Angst, dass der Rottweiler beißt oder gar verletzt, war absolut fehl am Platz, denn er wollte nicht „nur spielen“, sondern vor allem auch ein fundiertes Loblied auf die in ihm verkörperte deutsch-italienische Freundschaft singen.
Auch wenn sich in seinem aktuellen Programm „Durchbeißen“ vieles praktisch kaum geändert hat, bietet er oft auch völlig Neues. Dass ein Papst nicht einfach abtreten dürfe, sondern sterben müsse, lautet del Cores unerschrocken zur These erhobene Überzeugung. Dass sich Ottfried Preußler durch seinen Tod nicht mehr dagegen wehren kann, ungefragt reingewaschen und in pigmentfreies Neudeutsch übersetzt zu werden, findet er nicht gut. Eine Neuinterpretation von Goethes „Erlkönig“ wie etwa: „Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Es ist Lasagne mit seinem Rind . . .“ gehe ja schließlich auch nicht.
Die Cerankochfeld-App für Handys führte den stürmisch durch seine feinmaschig mit Pointen verdichtete Oberfläche drängenden Entertainer direkt zum Thema Krötenwanderung – nach Griechenland – und zur Schwangerschafts-App. Ein einziger Tropfen auf die goldene Fläche des Geräts bringt sofortige Gewissheit über Namen und Rufnummer des Vaters.
Dass der „Durchbeißer“ kein analysierender Intellektueller ist, der nur noch politisch korrekte Mutmaßungen absondert und auch nicht dem billige Lacher bringenden Kalauer völlig abgeschworen hat, störte offensichtlich das begeisterte Publikum nicht, das sich bei dem jährlich von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) im Bohnauhaus veranstalteten Kabarettabend vor allem aus Pädagogen und Geistesverwandten zusammensetzte.
Dass er dank Facebook immer weiß, was seine Kinder tun, wie sie aussehen und wo sie bei Nacht und Nebel sind, freut Heinrich del Core. Erstaunt ist er aber doch, als er im Netz erfahren muss, dass sein Sohn schon seit drei Jahren aus dem Haus ist.
Wer den Auftritt des aus Rottweil stammenden Kabarettisten vom vergangenen Jahr noch in guter Erinnerung hatte, freute sich über den Zauber des Wiedersehens, musste aber erkennen, dass die Kartenspielertricks doch deutlich reduziert wurden. Der ehemalige Zahntechniker beschränkte sich vor allem darauf, eine Zahnbürste „schweben“ und anschließend kreisen zu lassen. Nicht zuletzt zauberte er aber auch ein zuvor zerschnipseltes und als „Bollen“ umspeicheltes Stück Zahnseide wieder als langen Faden zwischen seinen Zähnen hervor.
Mit genüsslicher Schadenfreude und eindrucksvollem Insiderwissen beschäftigte er sich mit den Schmerzen im Zahnarzt-Stuhl und wilderte lange Zeit auch im Sanitärbereich nach wohlfeilen Scherzen herum. Was beispielsweise in Japan längst zur Selbstverständlichkeit geworden ist und in den besseren Kreisen auch hierzulande Einzug hält, sprengte fast del Cores Vorstellungskraft. Die Akribie seiner tief schürfenden Recherchen in der Wunderwelt des Wirklichkeit gewordenen computergesteuerten papierlosen WC hätte bei „Jugend forscht“ gute Gewinnchancen.
Der in Sachen Sanitärtechnik eher grüne Heinrich del Core konnte den sensiblen Pädagogen zugleich vermitteln, dass er sich häufiger in besseren Kreisen als in Japan bewegt, sich aber noch immer seine Neugier für das Thema Stoffwechsel bewahrt hat.
Der pointengespickte Sprung vom durchdesignten elitären Nassbereich in die hochfrequentierte „Sanifair“-Ecke im Raststättenmilieu war folgerichtig. Sein Forscherdrang machte auch vor der Intimität im Intercity-Verkehr oder auf Schiffen lauernden Notdurft-Gefahren nicht halt. Die dort wütenden Kräfte können Leib und Leben, vor allem aber auch den Zahnersatz kosten.
Als geplagter Bauherr, der monatelang einen Kran mit Kreissäge über seinem Neubau kreisen hatte, dem aber immerhin das abhanden gekommene Treppenhaus über Nacht wieder ans Gebäude „getackert“ wurde, weckte er allseits bekannte Sorgen und verborgene Ängste.
Dass er seine Angst vor dem Fliegen und einem immer größer werdenden Nebensitzer ausgerechnet wieder im direkten Umfeld einer Toilettentür gleich wieder loswerden konnte, sparte ihm nicht nur teure Therapie-Sitzungen, sondern brachte ihm praktisch im Schlaf auch noch klingende Münzen ein. Dass Geld nicht stinkt, hatte schon der viel zitierte römische Kaiser Vespasian gewusst. Wäre das Zitieren von „Pecunia non olet“ gebührenpflichtig, er hätte damit ein Vermögen verdienen können.
Der Traumschiff-Comedian Heinrich del Core, der an Bord immer wieder „junge Leute ab 70 Jahren unterhält“, weiß, dass Kreuzfahrten billiger sind als Aufenthalte im Pflegeheim und man sich an Bord nicht unbemerkt wund liegen kann. Seinem Publikum führte der Weltenbummler so scherz- wie schmerzhaft vor, dass man auch als Zahntechniker ohne tief wurzelnde humanistische Bildung vielleicht noch weiter kommen kann als jede wohnmobilfahrende Toskana-Fraktion.