Weilheim. „Der Fasching hat in unserem Leben immer eine große Rolle gespielt“, betont Hermann Scheufele. In einem alten Anzug mit einer über dem Rücken getragenen Krawatte war er im Februar 1952 nach Aichelberg zur Fasnet gegangen und hatte Anna Scheufele zum Tanz aufgefordert. Auf Anhieb hatte sie ihm in ihrem „rausgeputzten“ Dirndl gefallen. „Von da an gehörten wir zusammen“, sagt der sonst äußerst redselige 86-Jährige kurz und bündig. Schon ein Jahr später – wieder zur Faschingszeit – wurde in Kirchheim geheiratet. Weil sie katholisch und er evangelisch war, brauchte es damals noch das Okay des Bischofs.
Die ersten Jahre waren für das Paar nicht einfach. Die Wohnungsnot nach dem Krieg zwang Anna und Hermann Scheufele dazu, nach der Eheschließung vorerst im jeweiligen Elternhaus wohnen zu bleiben. Erst im Jahr darauf, die Tochter war längst geboren, konnte die junge Familie ihre erste gemeinsame Wohnung beziehen. Einst aus dem Sudetenland vertrieben, ist Weilheim Anna Scheufele zur zweiten Heimat geworden. Das Schwäbische beherrscht die 80-Jährige nahezu perfekt, und Spätzle kommen in der Familie genauso auf den Tisch wie Klöße jeglicher Art. Während Anna Scheufele fast drei Jahrzehnte im Haushalt eines Weilheimer Fahrschulbesitzers beschäftigt war, hatte sich ihr Ehemann, Tüftler durch und durch, dem heute viel beschworenen lebenslangen Lernen verschrieben. Stolz verweist er auf Anstellungen als Maschinenbautechniker, Techniker für Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik, Fachmann in der Arbeitsvorbereitung und in der Qualitätssicherung.
„Wir haben jede freie Minute genutzt, um zu verreisen oder Ausflüge zu machen“, erzählt Hermann Scheufele. Ob ein spontaner Wochenendtrip nach Luxemburg, ins Elsass oder in die Alpen zum Wandern – als nicht mehr jeder Pfennig umgedreht werden musste, machte sich das Ehepaar auf, Städte, Landschaften und fremde Kulturen zu erkunden. „Andere gehen zehnmal in den gleichen Urlaubsort. Das ist nicht unsere Sache“, sagt Anna Scheufele. „Wir wollten immer etwas Neues sehen und wissen, wie andere Menschen denken“, ergänzt ihr Ehemann. Eine dreiwöchige Fahrt mit dem Auto führte die beiden bis nach Israel und Ägypten. „Das darfst du heute eigentlich gar niemandem mehr erzählen, schiebt der Weilheimer kopfschüttelnd hinterher. In die gleiche Kategorie ordnet er einstige Motorradfahrten im tiefsten Winter nach Sölden ein. „Nur um im Gebirge Ski laufen zu können, hat man so was Verrücktes gemacht.“
Wie ein roter Faden zieht sich die Reiselust durch das Leben von Anna und Hermann Scheufele. Kontaktfreudig schlossen sich die beiden Weilheimer 1991 dem Kirchheimer Bürgerbüro an. Innerhalb von zehn Jahren organisierte Hermann Scheufele 96 Kulturfahrten für insgesamt 4 800 Teilnehmer. Ebenfalls unter dem Dach des Bürgerbüros gründete er einen Briefmarkenjugendklub. Der Singkreis Ziegelwasen, der regelmäßig in vielen Kircheimer Pflegeheimen auftritt, wurde ebenfalls auf seine Initiative hin ins Leben gerufen. Nach wie vor haben die 14-tägig stattfindenden Proben im Kalender der Scheufeles ihren festen Platz. Dass das Ehepaar dem Gesang seit jeher verbunden ist, zeigte sich bereits bei ihrer Hochzeit am 7. Februar 1953. In Ermangelung einer katholischen Kirche in Weilheim wurden kurzerhand zwei Busse für die Fahrt nach Kirchheim gemietet – in einem davon durften die Freunde aus dem örtlichen Gesangverein Platz nehmen.
Nicht nur hierbei schließt sich beim Fest der diamantenen Hochzeit der Kreis, denn Sängerfreunde werden ebenso mitfeiern wie die Familie. Dazu gehören außer Tochter und Sohn auch vier Enkelkinder.