Kirchheim. Die Sichtweisen sind natürlich unterschiedlich: Erwachsene und Anwohner treten eher für Sauberkeit, Recht und Ordnung ein. Sie ärgern sich über Lärm und Müll. Jugendliche und solche, die ihnen näherstehen, erkennen das Bedürfnis nach Treffpunkten, Party und Spaß – speziell am Wochenende. Der Film, den das Team der Linde über die eigene Sozialraumrecherche vom vergangenen Sommer zusammengestellt hat, zeigt dennoch Mög
lichkeiten auf, wie sich zwischen den unterschiedlichen Inte
ressen vermitteln lässt: In Einzelgesprächen sprechen sich nämlich nicht nur die Erwachsenen für Verständnis und Dialog aus. Auch die Jugendlichen zeigen sich durchaus einsichtig und meinen im Film, sie würden einen Platz auch verlassen, wenn Anwohner sie darum bitten.
Die Wirklichkeit mag mitunter anders aussehen. Dass es immer wieder Konflikte gibt, lässt sich nicht bestreiten. Solche Konflikte bestehen aber nicht nur zwischen Jugendlichen und Anwohnern, sondern auch zwischen unterschiedlichen Gruppen von Jugendlichen. Matthias Altwasser, Hausleiter der Linde, sagte in der Ausschusssitzung: „Erwachsene neigen dazu, Jugendliche auf einem Platz zu sehen und zu sagen, das ist eine Gruppe. In Wirklichkeit sind es aber drei verschiedene Gruppen.“
Ob diese Gruppen nun untereinan
der Probleme bekommen oder aber mit Anwohnern und Polizei – sie wollen den „Stress“ eigentlich nicht. Zumindest im Film sagt einer der Jugendlichen: „Stress kommt schon häufiger vor. Ich hab‘ aber gar keine Lust auf Stress. Ich will Spaß haben und keine Schlägerei.“
Ein anderer, noch sehr junger Jugendlicher, benennt im Film die Ursachen für „Stress“ und Schlägereien ganz klar und mit einem einzigen Stichwort: „Alkohol“. Matthias Altwasser berichtete dazu im Ausschuss von „Alkoholexzessen, wo wir uns fragen, ob es das früher auch schon so gab“. Statt Bier oder Wein würden die Jugendlichen heute härtere Sachen trinken – vor allem Whisk(e)y und Wodka, gemischt mit Limonaden oder Saft. Solche stark gezuckerten Mischgetränke werden bevorzugt aus 1,5-Liter-Flaschen getrunken, erzählte Matthias Altwasser.
Die Partys finden an allen möglichen Plätzen in Kirchheim statt. Besonders beliebt ist der Rollschuhplatz, wo sich abends durchaus 150 bis 200 junge Menschen treffen. Diese gehören zwar den unterschiedlichsten Gruppen an, wollen aber zunächst nur Spaß haben. Anfangs sei das auch eine tolle Sache, meinte der Leiter des Mehrgenerationenhauses. Ausschussmitglieder bestätigten das aus eigener Anschauung.
Da der Alkoholkonsum gegen später am Abend aber immer mehr Wirkung entfaltet, komme es dann häufig zu Auseinandersetzungen zwischen den Jugendlichen. Der Alkohol spiele eine dominierende Rolle, denn in Internet-Plattformen werden solche Treffen mitunter auch als „Betrinker-Partys“ angekündigt. Über ältere Bekannte können alle Jugendlichen alle Arten von Alkohol bekommen, weiß Matthias Altwasser. Aber auch die Folgen davon haben er und seine Mitstreiter während ihrer intensiven dreimonatigen Recherche häufig erlebt: „Es gab Körperverletzungen, wo wir eingeschritten sind. Wir haben auch wegen Alkoholvergiftungen den Notarzt gerufen. Dabei wurde, nach unserem Kenntnisstand, bei einer 13-Jährigen ein Alkoholpegel von 2,3 Promille gemessen.“
Trotzdem könne man sich abends und nachts in Kirchheim generell sicher fühlen. Niemand müsse Angst haben, als Unbeteiligter Opfer einer Gewalttat zu werden. Diese Tatsache ist ebenso erfreulich wie die Reaktionen der Jugendlichen auf die Arbeit des Linde-Teams: „Wir sind überall mit offenen Armen empfangen worden.“ Dass auch die Jugendlichen dialogbereit sind, zeigt ein Nachsatz Matthias Altwassers: „Sie waren dankbar, dass da jemand kommt und sich für sie interessiert.“
Bleibt die Frage, wie der Dialog mit allen Beteiligten – auch mit den Eltern – künftig aussehen kann. Dazu muss die Verwaltung jetzt im Auftrag des Finanz- und Verwaltungsausschusses geeignete Strukturen schaffen.