Kirchheim. Wenn es denn tatsächlich stimmen sollte, dass „Applaus das wahre Brot des Künstlers“ ist, können sich die Akteure des unter
dem Titel „Stairway-Tour 2013“ neu angelaufenen Spektakels im Rahmen der Erfolgsreihe „Pop & Poesie“ beruhigt zurücklehnen.
Nach der fulminanten Premiere im neuen Jahr war die Kirchheimer Stadthalle in Windeseile ausverkauft, und auch hier war das Publikum am Samstagabend außer Rand und Band. Die Januar- und Februar-Termine von „Pop & Poesie 2013“ sind bis auf einige wenige Restkarten bei einer einzigen Veranstaltung schon hoffnungslos ausverkauft.
Die Chancen sind daher stark begrenzt, diese grandiose Mischung aus bilingualer Präsentation der semantischen Tiefe der Texte bekannter Songs, und der live auf der Bühne stattfindenden kongenialen musikalischen Umsetzung eigenständiger Adaptionen der bunt selektierten „besten Hits aller Zeiten“ live mitzuerleben. Wer am 20. Mai beim geplanten Heimspiel in Stuttgart dabei sein möchte, sollte sich sputen.
Wer immer den abwechslungsreichen Abend in der Kirchheimer Stadthalle miterlebt hat, wird beeindruckt sein von dem berechtigten Selbstbewusstsein der SWR1-Truppe, die gleich mit einem Queen-Hit und dem auch in Stuttgart als Musical schon überbordend gefeierten Versprechen „We will rock you“ auf die Bühne kam. Schwach anzufangen, um dann stark nachzulassen, kann nicht Ziel einer Auftaktveranstaltung sein, mit der sich die ambitionierten SWR1-Akteure trotz ausverkaufter Häuser weit über die Gruppe ihrer Fangemeinde bekennender Wiederholungstäter empfehlen möchte.
Die zehn handverlesenen und auf die gemeinsame Mission eingeschworenen Ensemblemitglieder taten dann auch alles, um den mit einem mitreißenden Einstieg geweckten Erwartungen mehr als gerecht zu werden. Dem passend zur fetzigen Auftaktnummer von allen Akteuren individuell gestalteten Dress-Code „Rockmusiker“ entzog sich lediglich Moderator Matthias Holtmann, der im Knickerbocker-Outfit mit Schildmütze und nach oben offenen Bergstiefeln eher daherkam, wie ein möglicherweise am Vorabend bei einer vereinsinternen Winterunterhaltung vergessener Komparse eines Heimatstücks . . .
Geschickt versteckte er hinter seinem moderaten – und daher anfangs ganz besonders herausragenden – Erscheinungsbild aber nur, dass er im Vergleich zur ersten Staffel von„Pop & Poesie“ längst weit über seine ohnehin schon sehr dominierende Moderatoren-Rolle hinausgewachsen ist. Der Regisseur und von allen gehuldigte „Herr und Meister“ brilliert nicht länger nur mit sprachlicher Eloquenz, sondern genießt es zunehmend, immer wieder erfolgreich im Rampenlicht zu stehen und der populäre „heimliche“ Star der teilweise neu formierten erfolgsgewohnten Truppe zu sein.
Neben seinen Moderationen begeisterte er als ein gekonnt der vor Capri untergehenden Sonne huldigendes Rudi-Schuricke-Double genauso wie als ein legendäre Leinwandhelden wie Heinz Rühmann oder Theo Lingen perfekt auf den Punkt bringender wohlwollender Imitator.
Klarer Höhepunkt der vielen Auftritte des sehr präsenten Regisseurs Matthias Holtmann war zweifellos eine posthum zum 70. Geburtstag von Janis Joplin präsentierte mutige Neuinterpretation eines unvergessenen Klassikers, mit der „Oh Lord“ nicht nur um die Stuttgarter Vorzeigeautos wie Mercedes oder Porsche sondern um einen allradgetriebenen Jeep Cherokee gebeten wird, mit dem die Hütte oben am Berg auch dann noch problemlos zu erklimmen ist, wenn man schon alles „gegessen oder geraucht“ hat, was der Wald auf dem Weg dorthin hergibt.
Paul Simons in unendlichen Vorankündigungseinspielungen schon fast wundgesungene „50 ways to leave your lover“ hatten verständlicherweise keine allzu großen Überraschungseffekte mehr parat. Während kriegsmüde Eltern sich und ihren Kindern einst alles andere gewünscht hatten, als die im lauten Kreischen der vorwiegend weiblichen Fans untergehenden Songs der Beatles, war das melodiöse „She‘s leaving home“ ein perfekt ausgewählter Song, der es wert ist, in Erinnerung gerufen und vor allem auch übersetzt zu werden.
Der von der Gruppe „Yes“ entdeckte „Owner of a lonely Heart“ fand dann genauso Gefallen wie das durch ein Quiz über Abkürzungen äußerst raffiniert herbei moderierte „TNT“ von „ACDC“. Dass an dem die Tour kennzeichnenden „Stairway to Heaven“ letztendlich kein Weg vorbeiführen wird, und auch die perfekt in Szene gesetzte „Bohemian Rhapsody“ unvermeidlich sein könnte, war schon vor der gewährten „Verschnaufpause“ klar.
„Prince“ durfte frisch übersetzt noch vielversprechend versichern „You don’t have to be rich to be my girl“ bevor die durch das zehnköpfige Profi-Ensemble aufgebaute euphorische Stimmung ausgerechnet mit „Desperado“ noch einmal etwas heruntergekühlt wurde.
Die anschließend gemeinsam und lautstark intonierten Erinnerungen an den „Summer of 69“ brachten dann aber noch einmal alle auf und vor der Bühne versammelten hochkarätigen Akteure zusammen.
Die durch ihr Stimmvolumen begeisternde Sängerin Britta Medeiros, und der immer wieder auch durch virtuose Violineneinlagen überzeugende Alexander Kraus wurden maßgeblich unterstützt von Simone von Racknitz und Jochen Stöckle, die vor allem auch den übersetzten Geschichten hinter den Liedern Raum gaben. Peter Grabinger, Patrick Schwefel, Michael Paucker, Klaus-Peter Schöpfer und Carl-Michael Grabinger vervollständigten die Band, die live auf der Bühne alles perfekt abwickelte, während sich Moderator Matthis Holtmann bei dem auf sich selbst abgefeuerten Schuss lieber auf eine Einspielung vom Band verlassen wollte . . .
Der Wunsch, gut zu unterhalten und nicht nur allseits bekannte Hits in Erinnerung zu rufen, sondern auch im jeweiligen zeitgeschichtlichen Kontext aufzuzeigen, worum es jeweils geht, war Ziel einer an Kurzweiligkeit kaum zu überbietenden musikalischen Zeitreise, die so erfolgreich ist, dass man sich um die Fortsetzung sicher nicht zu sorgen braucht.