ProDente. Gut einen halben Liter Speichel produziert ein Mensch täglich. Er besteht zu 99 Prozent aus Wasser. Dabei ist Speichel weit mehr als nur Wasser. Er ist ein komplexes Gemisch aus verschiedensten biologisch aktiven Substanzen, darunter Enzyme, Antikörper, Elektrolyte, Proteine und antimikrobielle Substanzen. Jede dieser Substanzen hat ihre Funktion für unsere Gesundheit.
Den überwiegenden Teil des Speichels bilden die drei großen Speicheldrüsen: Ohrspeicheldrüse, Unterkieferspeicheldrüse und Unterzungenspeicheldrüse. Sie befinden sich paarig auf jeder Seite einmal. Den Rest des Speichels erzeugen die kleinen Speicheldrüsen, die sich verstreut in der Mundschleimhaut befinden. „Die Menge sowie die Zusammensetzung des Speichels hängen von verschiedenen Faktoren ab und variieren von Mensch zu Mensch“, erläutert Prof. Dr. Stefan Zimmer, Leiter der Abteilung für Zahnerhaltung und Präventive Zahnmedizin an der Universität Witten/Herdecke. „So ist die Speichelproduktion unter anderem von der Tageszeit, dem Alter, dem Vorliegen von Stress oder von der Einnahme bestimmter Medikamente abhängig. Auch mechanische Reize sowie der Geruchs- oder Geschmackssinn spielen eine Rolle.“ Duftet ein Essen lecker, läuft uns förmlich schon „das Wasser im Mund zusammen“.
Diese Aufgaben erfüllt der Speichel
- Schlucken: Speichel verdünnt die zerkaute Nahrung zu einem Brei und befeuchtet die Mundschleimhaut. Das ermöglicht es uns, die Nahrung zu schlucken.
- Verdauen: Speichel enthält verschiedene Enzyme, welche die Nahrung im Mund vorverdauen. So spalten Amylasen Kohlenhydrate, Lipasen Fette und Proteasen Eiweiße.
- Schmecken: Speichel umspült die Geschmacksknospen. Die Geschmacksstoffe können sich so besser lösen und verteilen. Wir können sie besser schmecken.
- Spülen: Speichel spült Essensreste aus der Mundhöhle. Somit reinigt er die Zähne und den gesamten Mundbereich.
- Schützen: Speichel bildet einen dünnen Schutzfilm über die Mundschleimhaut sowie einen Schutz- und Schmierfilm über die Zähne.
- Puffern: Speichel hilft, zahnschädigende Säuren zu neutralisieren. Kariesbakterien bilden sie aus Zucker oder sie kommen direkt aus Nahrung sowie Getränken.
- Reparieren: Speichel enthält die für den Zahnschmelz wichtigen Mineralstoffe Kalzium und Phosphat. Durch Wiedereinlagern in den Zahnschmelz remineralisiert Speichel den Schmelz.
- Abwehren: Speichel wirkt antibakteriell und antiviral. Enthaltene Proteine wie Lactoferrin, die Enzyme Lysozym und Peroxidase sowie Antikörper wie Immunglobuline sorgen für die Bekämpfung von Krankheitserregern.
Was Spucke auch noch kann
Speichel enthält zudem Spuren von genetischem Material. Medizinerinnen und Mediziner nutzen die DNA in Speichel daher schon lange für kriminaltechnische Untersuchungen, so etwa um Täter zu überführen oder Tote zu identifizieren. Auch Verwandtschaftsverhältnisse können über einen Speicheltest geklärt werden. Zunehmend rückt Speichel nun auch in den Fokus medizinischer Diagnostik. Denn in ihm befinden sich zahlreiche Biomarker, die Hinweise auf Erkrankungen liefern können. Mögliche Einsatzgebiete von Speicheltests sind Infektionskrankheiten wie Influenza, COVID-19 oder HIV, das Feststellen des Hormonstatus bei Kinderwunschbehandlungen oder Wechseljahresbeschwerden sowie die Überprüfung von Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus. Der Speicheltest ist in punkto Genauigkeit zwar einer Blutuntersuchung unterlegen und kann sie derzeit noch nicht komplett ersetzen, besitzt jedoch einen entscheidenden Vorteil: Die Entnahme der Speichelprobe ist einfach und schnell möglich. Das ist besonders wichtig in Situationen, in denen eine schnelle Diagnose Leben retten kann. Erste Studienergebnisse deuten zum Beispiel darauf hin, dass der Nachweis von Troponin im Speichel, also einem Protein des Herzmuskels, eine schnelle Methode zur Herzinfarkt-Diagnose sein kann. In der Zahnmedizin kann ein Speicheltest das individuelle Risiko für Karies aufzeigen. Er bestimmt die Anzahl kariesfördernder Keime sowie den pH-Wert des Speichels. Hieraus lassen sich Rückschlüsse auf das persönliche Kariesrisiko ziehen.

