Ostfildern. Wer erzählt schon gerne, dass er – oder meist sie – das Wasser oder auch den Stuhl nicht halten kann? Inkontinenz ist eine weit verbreitete Krankheit, die je nach Schwere das tägliche Leben stark belastet. Laut der Deutschen Kontinenzgesellschaft plagt unfreiwilliger Urinabgang etwa sechs Millionen Menschen in Deutschland. Gerade ältere Menschen nehmen Inkontinenz zu häufig als Schicksal hin. Dabei sorgen heutzutage moderne Therapien – von der Beckenbodengymnastik, über Medikamente bis hin zu minimalinvasiven Operationen – in den meisten Fällen für Linderung oder Heilung.
Um den Betroffenen mit optimaler Diagnostik und modernen Therapien helfen zu können, haben sich die Fachärzte der Paracelsus-Klinik, deren Gebiet den Beckenboden betreffen, weitergebildet. Zudem wurden extra Geräte für die Diagnostik angeschafft und spezielle Inkontinenz-Sprechstunden eingerichtet. Der Chefarzt der Frauenheilkunde, Dr. Friedrich Sommer, appelliert an die Betroffenen, „dass sie sich trauen, zu uns zu kommen. Sie sollten die Chance nutzen, mithilfe von Spezialisten, die sich untereinander beraten, ihr Leben wieder unbeschwerter leben zu können“. Es gibt spezielle Sprechstunden für die Harn-Inkontinenz und für die Stuhl-Halteschwäche. Eine extrem unangenehme Krankheit, die in aller Regel gut behandelt werden kann, sagt Dr. Wolfgang Schlosser, Chefarzt der Allgemeinchirurgie.
Dr. Sylvia Reichenbach, Oberärztin der Klinik für Frauenheilkunde, hat sich auf Harn-Inkontinenz und Beckenbodensenkung spezialisiert. Schätzungsweise jede dritte Frau leidet an Harn-Inkontinenz – zum einen, weil die weiblichen Beckenbodenmuskeln mit dem Alter schwächer werden, zum anderen, weil schwere oder viele Geburten den Beckenboden stark belasten. „Es gibt die Stress-Inkontinez, bei der Urin unkontrolliert beim Husten, Heben oder Sport abgeht“, erklärt Sylvia Reichenbach. „Und es gibt die Drang-Inkontinenz. Dabei müssen die Betroffenen extrem oft auf die Toilette, was den Alltag ziemlich einschränkt.“
Der Oberarzt der Urologie Dr. Winmar Jäckel erläutert, Männer seien von Harn-Inkontinenz meist nach Prostata-Operationen betroffen. Aber auch mit zunehmendem Alter könne das Problem auftreten. Wenn Männer zur Beckenbodengymnastik müssen, hilft ihnen Thomas Kunberger, Leiter des Vitalcenters, mit einem Gerät namens Biofeedback. „Im Gegensatz zu Frauen kennen Männer ihren Beckenboden nicht“, hat er festgestellt. Das Biofeedback gibt über Elektroden Piepsignale, wenn der Patient den Beckenboden tatsächlich angespannt hat. „Das ist eine gute Kontrolle, dass man die Übung richtig gemacht hat“, sagt Thomas Kunberger. Sechs bis acht Wochen intensive Gymnastik seien nötig, um die Beschwerden in den Griff zu bekommen oder gar zu beseitigen.
Um in die Sprechstunde zu kommen, benötigen Patienten die Überweisung eines Facharztes. „Ich habe schon Patientinnen gehabt, die haben das von ihrem Gynäkologen eingefordert“, sagt Sylvia Reichenbach. „Dazu kann ich nur ermuntern.“