Zwei Kirchheimer Ingenieure haben ein Modell für saubere und leise Windkraft entwickelt
„Teck-à-vent“: Strom im Aufwind

Die unbestrittenen Vorteile der Windkraft ausnutzen und alle denkbaren Nachteile beseitigen – dieser Aufgabe haben sich zwei Kirchheimer Ingenieure erfolgreich gestellt. Ihr innovatives Windradkonzept soll noch in diesem Jahr als Prototyp auf der Teck erstmals installiert werden und, nach Erlangung der Serienreife, den Namen der Burg in Windeseile in alle Welt tragen: „Teck-à-vent“ heißt das Geschäftsmodell.

Kirchheim. Winfried Nüdling und Wilhelm Heidenreich haben schon so manches technische Feld gemeinsam beackert – seit sie sich vor vielen Jahren beim Studium in Darmstadt begegnet sind. Im Berufsleben sollten viele gemeinsame Arbeitsjahre bei einem renommierten Luft- und Raumfahrtunternehmen in Nabern folgen. Im Ruhestand haben sie sich jetzt auf die Windkraft besonnen – also auf ein Geschäftsfeld, auf dem ihr einstiger Arbeitgeber schon 1980 erstmals von sich reden gemacht hatte: seinerzeit mit dem Prototyp des Einflüglers „Monopteros“.

Die beiden Kirchheimer Tüftler setzen nun allerdings auf ein ganz anderes Modell, als es die damalige Reduzierung auf nur einen Flügel war. „Wir haben das Prinzip des Querdenkens einfach mal ganz wörtlich genommen“, berichtet Winfried Nüdling, wie es zur Idee der „Teck-à-vent“-Windkraftanlage gekommen ist. Auslöser war der gemeinsame Besuch des Weihnachtsmarkts, wo die Weihnachtspyramiden plötzlich die ganze Aufmerksamkeit der beiden Ingenieure erregten.

„Da kam eins zum anderen“, erinnert sich Wilhelm Heidenreich an den entscheidenden Moment. „Wir haben uns gerade über die Windenergie und die damit verbundenen Prob­leme unterhalten, und plötzlich fällt unser Blick auf die Flügelräder dieser Kerzentürme.“ Wer als erster „Heureka“ gerufen hat, wissen die früheren Kollegen nicht mehr. Aber fortan war klar, wohin die Reise der postmodernen Windkraftnutzung gehen soll.

„Als erstes war da der Gedanke, das Windrad einfach querzulegen, um eben auch bei schwachem Wind Energie erzeugen zu können“, erklärt Winfried Nüdling die Grundidee. „Der Standort an der Teck ist dafür ideal. Das sieht man an jedem schönen Wochenende, wenn die Segelflieger dort wegen der Thermik ihre Kreise ziehen. Diesen Aufwind wollen wir zur Stromerzeugung nutzen.“

Allerdings hat das Endmodell des Prototyps nur noch bedingt etwas mit der Weihnachtspyramide zu tun – allenfalls das Ausnutzen aufsteigender Wärme und die querliegenden Windfangarme. Die Bezeichnung „Windfangarme“ trifft nämlich ziemlich genau das, was die beiden Ingenieure mit ihrem „Teck-à-vent“-Verfahren kreiert haben.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Windrädern oder zur Weihnachtspyramide, bleiben die Arme unbeweglich. Sie dienen nur dazu, als große Schaufeln den Wind aufzufangen und in die Mitte weiterzuleiten. Ob der Wind über die Teck hinwegweht oder ob es sich um thermischen Aufwind handelt, spielt dabei keine Rolle: Jegliches Windrauschen wird aufgefangen beim „großen Rauschangriff“ an der Teck. Entscheidend ist aber, dass die Lärmbelästigung für die Umgebung auf ein kaum merkliches Minimum reduziert wird.

Das alles funktioniert durch die Nutzung von Technik, die im Automobil- oder Flugzeugbau längst schon gang und gäbe ist. Abgeschaut haben sich die beiden Kirchheimer „Windkraftler“ ihr Prinzip bei den „Manteltriebwerken“ moderner Düsenflugzeuge. „Der Grund für die deutlich geringere Lärmbelastung gegenüber früheren Triebwerken liegt darin, dass der Schub durch sehr viel mehr Luft erzeugt wird, die aber mit viel geringerer Geschwindigkeit aus dem Triebwerk ausströmt“, erklärt Wilhelm Heidenreich. Und Winfried Nüdling bezieht sich auf die Steigerung der Drehzahlen in den Automotoren, wenn er ergänzt: „Die Leistung ist das Produkt von Drehzahl und Drehmoment. Und beim Automobilantrieb wird die Leistung eben durch sehr hohe Drehzahlen erreicht.“

Beide Prinzipien wollen sich die „Teck-à-vent“-Pioniere nun für ihr „Flüsterwindrad“ zunutze machen. Vor allem geht es aber auch um die Gesetze der Aerodynamik, denen zufolge sich am Ende eines Flügels, der gegen eine Luftströmung angestellt ist, zwingend strömungsbeschleunigte Wirbel ergeben. Die Luft hat dadurch eine deutlich höhere Strömungsgeschwindigkeit. Wenn nun die Turbine der Windkraftanlage mit Luft angetrieben wird, die durch die Abreißwirbel stark beschleunigt ist, kann die Größe der Turbine reduziert werden, weil sie mit deutlich höherer Drehzahl läuft. Daraus folgt, dass die „Teck-à-vent“-Windkraftanlage eine hohe Leistung bringt – mit minimaler Lärmbelastung, die bei normalem Gaststättenbetrieb im Burghof praktisch nicht wahrnehmbar ist.

Auch weitere Nachteile, die Windkraftgegner bei herkömmlichen Windrädern befürchten, sind hier nicht zu erwarten: weder Schattenschlag noch Infraschall oder gar vereisende Enden der Flügel. Da sich die Flügelenden ja gar nicht drehen, können sie eventuelle Eisbrocken auch nicht weiterschleudern. Außerdem ist daran gedacht, an den starren „Windfangarmen“ zusätzlich Solarstrom zu erzeugen, der schon in geringer Menge ausreichen würde, durch entsprechende Wärmewiedergewinnung ein Vereisen der Flügel von vornherein zu verhindern.

Und die Ästhetik? Beide Ingenieure sind gleichermaßen davon überzeugt, auch dieses Problem der Windenergie gelöst zu haben: „Weihnachtspyramiden sind doch der Inbegriff deutscher Gemütlichkeit. Romantischer geht es ja gar nicht mehr. Wer könnte denn etwas dagegen einwenden, durch ein leistungsfähiges Kraftwerk das ganze Jahr über an Weihnachten erinnert zu werden?“

Die Verbreitung der „Teck-à-vent“-Idee – deren Name auf die Frankophil- und -phonie Winfried Nüdlings zurückzuführen ist und einerseits auf das Wort für Windmühle anspielt, anderseits auf die avantgardistische Innovation – ist relativ leicht zu bewerkstelligen. „Wir können unsere quergelegten Windräder praktisch jedem vorhandenen Turm aufsetzen. Gerade weil sich die wirbelerzeugenden großen Tragflächen nicht drehen, ermöglichen sie eine besonders leichte Bauweise“, spricht Winfried Nüdling noch einen weiteren Vorteil an.

In wenigen Jahren schon könnten also sehr viele Bergfriede oder auch Kirchtürme in ganz Europa mit einem „Teck-à-vent“-Aufsatz geschmückt sein. Winfried Nüdling ist davon überzeugt, dass die „Teck-à-vent“-Windkraft mit ihrem Stromausstoß eines Tages sogar in Frankreich die Atomkraft überflügeln wird. Auch das ist ein Grund, warum er sich für einen französischen Namen entschieden hat. Auf die Frage, wann es so weit sein wird, sagt er aber sibyllinisch: „Das sehn wir mal, das hat noch keine Eile. Erst mal müssen wir das auf der Teck zum Laufen bringen.“

INFO

Zur Enthüllung ihres Prototypmodells laden Winfried Nüdling und Wilhelm Heidenreich am heutigen Dienstag auf 15  Uhr in den Burghof der Teck ein. Auch das Modell ist schon voll funktionsfähig, sodass Radfahrer von 15 bis 16 Uhr ihre E-Bikes kostenlos aufladen können.