Gestresste Mitarbeiter, überlastete Labore und scheinbar endlose Autoschlangen - an den beiden Corona-Abstrichzentren (CAZ) in Nürtingen und bei der Fildermesse droht die Situation völlig aus dem Ruder zu laufen. Immer mehr, die sich an einer der beiden Drive-in-Stationen auf das Coronavirus testen lassen wollen, und immer mehr, die dafür einen Code vom Arzt erhalten haben - Voraussetzung für jeden Test.
In Oberensingen reichte die Autoschlange gestern früh bereits eine Stunde vor Öffnung bis weit hinaus in die Bundesstraße 313. Die Polizei hat inzwischen einen Fahrstreifen als Staufläche ausgewiesen. Man werde die Lage beobachten und eingreifen, sollte sich die Situation verschärfen, sagte ein Polizeisprecher.
Wartezeiten von mehr als sechs Stunden haben am Montag dazu geführt, dass das CAZ in Nürtingen vorzeitig geschlossen werden musste. Auffallend: Seit Schulen und Kindergärten im Land dicht sind, hat sich die Zahl noch einmal deutlich erhöht. Auch das neu hinzugekommene Risikoland Tirol befeuert die Lage. An beiden Abstrichzentren nahmen die medizinischen Mitarbeiter am Montag 881 Tests - mehr als das Vierfache, das anfangs geplant war. Insgesamt wurden seit Inbetriebnahme der Zentren am Montag vergangener Woche bereits 4 000 Personen getestet. Stand gestern waren 190 davon positiv. Kreisweit gibt es 206 Infizierte.
Im Landratsamt appelliert man an die Vernunft der Menschen, denn längst nicht jeder, der sich testen lassen will, erfüllt die Kriterien dafür. „Es ist wichtig, dass wir die Zentren so lange wie möglich in Betrieb halten können“, sagt Landratsamts-Sprecher Peter Keck. Den Testcode gibt es erst nach Rücksprache mit dem Hausarzt, der sich am Telefon ein Urteil bilden muss. Nicht einfach, vor allem dann, wenn Angaben nicht vollständig der Wahrheit entsprechen. „Ich appelliere an alle Kollegen, dass im Zweifelsfall gründlicher nachgefragt wird“, sagt Dr. Rainer Graneis, Vorsitzender der Kreisärzteschaft. Er selbst half im CAZ auf den Fildern aus, wo am Montag 680 Abstriche genommen wurden. „Ich hatte bei nur sehr wenigen den Eindruck, dass der Verdacht berechtigt ist“, sagt er. Viele wurden deshalb weggeschickt, obwohl sie einen Code hatten. „Manche fahren dann einfach weiter und versuchen es in Nürtingen“, sagt Graneis. Inzwischen wurde sogar bekannt, dass die nicht personalisierten Codes an Freunde und Bekannte weitergegeben werden.
Das alles trägt dazu bei, dass sich die Lage zuspitzt, weil Personal fehlt, Test-Kits und Schutzkleidung knapp werden und Labore an Grenzen stoßen. Inzwischen beträgt die Wartezeit auf Testergebnisse bis zu sieben Tage. Experten warnen, dass die Zentren womöglich schon Ende der Woche schließen müssen, sollte der Trend anhalten. Mit unabsehbaren Folgen für Arztpraxen, die diese Arbeit dann theoretisch übernehmen müssten. „Im Moment könnten wir das nicht auffangen“, stellt Graneis klar. Sein dringender Appell: „Wenn wir alle vernünftig bleiben, läuft das noch die kommende Woche.“