Kreisräte strampelten durchs Albvorland – Geballte Information über Projekte des Landkreises
„Tour d‘Horizon“ im Sattel

Kreiskliniken, Asylbewerberunterkünfte, Berufsschulen, Kompostwerk, Bunker im Tiefenbachtal und Freilichtmuseum Beuren – einen ganzen Tag lang strampelten neu gewählte und bereits verabschiedete Kreisräte per Fahrrad von Station zu Station. Den Wissensdurst stillten vor Ort jeweils Experten aus Verwaltung, Krankenhäusern und Schulen.

Kreis Esslingen. Es gab schon schweißtreibendere Radtouren unter der Ägide von Landrat Heinz Eininger. Ein Albaufstieg war am Donnerstag nicht zu bewältigen, doch einzelne kurze Stiche insbesondere zum höchsten Punkt der Runde im Freilichtmuseum hatten es durchaus in sich, sodass mancher froh war, sich nicht nur auf seine Muskelkraft verlassen zu müssen. – Etwas weniger sportliche Fahrer griffen auf eines der Pedelecs aus dem Naturschutzzentrum Schopflocher Alb zurück.

In sich hatte es auch das Programm, das auf der 34 Kilometer langen Rundfahrt absolviert wurde. Im Halb-Stunden-Takt bekamen die Teilnehmer per Schnellbleiche Projekte und Aufgaben des Landkreises vorgestellt. 33 Kreisräte – so viele wie bei keiner anderen Schleife mit Landrat Heinz Eininger im Leadertrikot – schwangen sich in den Sattel. Über die Gründe mutmaßte der Kreischef verschmitzt: „Vielleicht ist nach dem letztjährigen Wandern der Hunger nach Radfahren wieder größer geworden.“ Wahrscheinlich lag‘s aber auch daran, dass vergangene Woche verabschiedete und neu eingesetzte Kreisräte gleichermaßen eingeladen waren, die sitzungsfreie Zeit auf dem Fahrrad einzuläuten.

Bevor sich der Tross am Kirchheimer Krankenhaus in Bewegung setzte, skizzierte der Geschäftsführer der Kreiskliniken, Thomas Kräh, die Entwicklungen in der Krankenhauslandschaft im Landkreis. Nach dem Aufheben des Baustopps vergangenes Jahr werden derzeit in Kirchheim Patientenzimmer ausgebaut, ein leer stehender Altbau aus den 1930er-Jahren soll demnächst abgerissen werden. Geschätzte Kosten: 200 000 bis 300 000 Euro. Mitte Oktober ist der Umzug der Psychiatrie von Plochingen nach Kirchheim geplant, in zwei Jahren soll die Psychiatrie aus Nürtingen folgen. Vorgesehen ist zudem, das seit Jahren an der Stuttgarter Straße in Kirchheim vor sich hin dümpelnde Betonskelett zu einer gerontopsychiatrischen Tagesklinik auszubauen. „Wir gehen von einer ansprechenden Förderung aus“, sagte Kräh. Nächste Woche soll der Antrag dem Sozialministerium vorliegen.

Kräh machte auch einen Schlenker zur Nürtinger Klinik. Auf dem Gelände wird derzeit der asbestverseuchte Altbau entkernt und abgebrochen. Statt der befürchteten 18 Millionen lasse sich der Abbruch für weniger als sechs Millionen Euro bewerkstelligen. Darüber hinaus wird auf dem Säer zurzeit eine Parkgarage gebaut. „Dafür haben wir einen Investor gefunden. Unser Kerngeschäft sind die Krankenhäuser“, hob Kräh hervor. Dass es dort derzeit gut läuft, betonten er und Eininger unisono. „Wir haben wieder 1 000 Patienten mehr als im letzten Jahr“, so der Geschäftsführer. Alleine in Nürtingen werde jeden Tag ein Patient mehr versorgt als 2013. Nötig seien hohe Qualität und hohe Wirtschaftlichkeit. „Wenn das nicht gelingt, ist das Zeitalter der öffentlichen Krankenhäuser vorbei. Deshalb hat uns die Kartellamtsentscheidung so getroffen“, sagte Eininger. Er kündigte an, auf Betreiben des Nürtinger CDU-Bundestagsabgeordneten Michael Hennrich in den Sommerferien ein Gespräch mit Andreas Mundt zu führen. Mundt ist Chef der Bonner Kartellbehörde, die im Mai die geplante Fusion der Kreiskliniken Esslingen mit dem Städtischen Klinikum platzen ließ.

Ein Thema, das derzeit die Kreisverwaltung auf Trab hält wie kein anderes, ist die Unterbringung der Asylbewerber. Sowohl in Kirchheim im Wohnheim an der Charlottenstraße als auch in den Containern in Nürtingen auf dem Parkplatz der Philipp-Matthäus-Hahn-Schule verschafften sich die Kreisräte in Radlerkluft einen Eindruck von den Flüchtlingsunterkünften. Mit 280 Plätzen ist das Kirchheimer Wohnheim die größte Einrichtung für Asylbewerber im Landkreis Esslingen. Wie Sozialdezernent Dieter Krug sagte, kommen dieses Jahr 23 000 Asylbewerber nach Baden-Württemberg. Fünf Prozent davon muss der Landkreis Esslingen aufnehmen. Ändert sich an der Situation nichts Entscheidendes, fehlen unterm Strich zum Jahresende 250 Plätze. „Im August sieht es ganz schlecht aus. Wir haben nur noch vier freie Plätze“, erklärte Thomas Eberhard, Dezernent für Infrastruktur. Derzeit hat der Kreis in 17 Kommunen 1 200 Plätze in 32 Wohnheimen. Die meisten Flüchtlinge kommen aus den Balkanstaaten, gefolgt von Asylbewerbern aus Pakistan, Afghanistan und Syrien.

„Eigentlich sind wir ein Familienwohnheim, zurzeit sind aber viele Einzelpersonen da“, sagte Leiterin Rosemarie Peltier. Damit die Tage eine Struktur bekämen, würden manche Asylbewerber für 1,05 Euro pro Stunde als Hausmeisterhelfer beschäftigt. Mehr dürfen sie nicht verdienen. „Das muss man öffnen“, forderte Dieter Krug. Genauso setzt er sich dafür ein, für Asylbewerber wie früher Bezirksstellen einzurichten, sie in Kasernen einquartieren zu dürfen und Ausnahmen im Baurecht zu schaffen, um Flüchtlinge beispielsweise auch in Gewerbegebieten unterbringen zu können. Vorbildlich sei der Landkreis mit seinem Betreuungsschlüssel von 1 zu 140, so Krug. Das bestätigte Jutta Woditsch von der Arbeiterwohlfahrt, die Asylbewerber sozial betreut. Nicht selten kämen die Flüchtlinge mit unbehandelten Krankheiten wie Diabetes oder Hepatitis. „Wir freuen uns, dass wir eigene Räume bekommen haben“, sagte Marianne Gmelin vom Arbeitskreis Asyl. Jeden Donnerstagabend gebe es ein offenes Café, zu dem relativ viele Asylbewerber kämen. In den seit zwei Wochen aufgestellten Containern sollen unter anderem Sprachkurse und Nachhilfe angeboten werden.