Verfahren gegen Geldauflage eingestellt
Traumata nach Unfall

Wie sich im vergangenen August in Kirchheim ein Fahrradunfall ereignet hat, das wurde gestern im Kirchheimer Amtsgericht noch einmal so genau wie möglich rekonstruiert. Gegen die Auflage, 600 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zu zahlen, hat Amtsrichterin Franziska Hermle das Verfahren gegen den 63-jährigen Angeklagten schließlich eingestellt.

Andreas Volz

Kirchheim. Der Unfall, der sich am 13. August kurz vor 20 Uhr in einem Kirchheimer Wohngebiet ereignet hat, war wohl ein besonders unglücklicher Zufall: Der 63-jährige Mann, der seither kein Fahrrad mehr bestiegen hat, schaute an der Kreuzung nach rechts, um sich zu vergewissern, dass von dort kein Fahrzeug kommt, bevor er nach links abbiegen wollte. Als er danach aber nach links schaute, bemerkte er die 57-jährige Frau, die ebenfalls mit dem Fahrrad unterwegs war und geradeaus über die Kreuzung fahren wollte. Es kam zum Zusammenstoß, wobei die Frau, die keinen Helm trug, so unglücklich aufkam, dass sie mit einem Schädel-Hirn-Trauma per Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus eingeliefert werden musste.

Nach eigener Aussage will der Mann noch versucht haben, nach links auszuweichen, um ungestreift an der Frau vorbeizukommen. Ein Sachverständiger stellte jedoch fest, dass der Mann diesen Vorsatz innerhalb der einen Sekunde, die ihm ungefähr zur Verfügung stand, maximal fassen, nicht aber ausführen konnte. Der Rekonstruktion zufolge – für die es nur wenige Anhaltspunkte gab – sei der 63-Jährige ziemlich weit links gefahren. Daraus schließt der Sachverständige, dass der Radfahrer die Kreuzung deutlich geschnitten hat. Ob sich der Zusammenstoß hätte vermeiden lassen, wenn der Mann ganz auf der rechten Straßenseite unterwegs gewesen wäre, darauf konnte und wollte sich der Sachverständige aber nicht eindeutig festlegen.

Die 57-jährige Frau konnte zum Unfallgeschehen keine Angaben machen: Ihre Erinnerung setzt erst circa drei Wochen später wieder ein: Am 2. und am 3. September habe sie durch ihren Mann sowie durch Pflegekräfte des Krankenhauses erfahren, was eigentlich passiert sei. Ihre Kopfverletzungen waren so heftig, dass sie therapeutische Hilfe brauchte, um wieder gehen, sprechen und schreiben zu lernen. Inzwischen gehe es ihr aber wieder ganz gut. Sie fahre auch wieder Fahrrad und habe sich außerdem einen Fahrradhelm gekauft.

Der 63-Jährige trug zwar keine schwerwiegenden Blessuren davon, von Schürfungen und Prellungen abgesehen. Aber der Unfall habe ihn psychisch stark belastet, sagte er vor Gericht. Er habe sogar den Arbeitgeber gewechselt, weil er mit dem Schichtdienst nicht mehr zurechtgekommen sei und keine Ruhe mehr gefunden habe.

Zumindest was die strafrechtliche Seite anbelangt, wird er nach der gestrigen Verhandlung Ruhe haben. Sobald er die 600 Euro an die gemeinnützige Einrichtung überwiesen hat, ist das Strafverfahren endgültig eingestellt. Zivilrechtlich geht es jetzt noch um die Frage, in welcher Höhe seine Versicherung Schmerzensgeld an die 57-Jährige zu zahlen hat.