Frühjahrswanderung der Regionalgruppe Kirchheim des Schwäbischen Heimatbunds zu den Gütersteiner Wasserfällen
Tuffterrassen, Wasserversorgung und Kartäuser

Die Kirchheimer Regionalgruppe des Schwäbischen Heimatbunds hat sich auf einer Wanderung intensiv mit Geschichte und Geologie zwischen Uracher und Gütersteiner Wasserfall beschäftigt.

Kirchheim. Vom Parkplatz „Uracher Wasserfall“ aus zieht es an schönen Wochenenden die meisten Wanderer zum weithin bekannten Wasserfall, bei dem spektakulär das Wasser über einen 37 Meter hohen Kalkfelsen in die Tiefe fällt und anschließend 50 Meter über bemooste Kalktuffpolster rauscht. Dass vom gleichen Parkplatz aus eine ganz andere Wanderung möglich ist, die nicht nur eindrucksvolle Naturerlebnisse ermöglicht, sondern auch teilweise weit in die Vergangenheit zurückreichende Reminiszenzen, bewies die Frühjahrswanderung des Schwäbischen Heimatbunds Kirchheim unter der Leitung von Rolf Götz und Roland Krämer.

Das Besondere zeigte sich schon gleich zu Beginn der Wanderung, wo der Blick auf den 711 Meter hohen „Runden Berg“ fällt, der das zum Wasserfall führende Brühltal vom Maisenbachtal trennt. Auf seinem Hochplateau fanden von 1967 bis 1984 Ausgrabungen statt, die den Nachweis erbrachten, dass hier 2 500 Jahre lang, von der Bronzezeit bis in die karolingisch-ottonische Zeit, immer wieder Menschen den Platz für eine Höhensiedlung genutzt haben. Heute informieren auf dem Gipfel Tafeln darüber, dass dort in früh- und hochmittelalterlicher Zeit alamannische Kleinkönige und später Hochadlige residierten, die von dort aus das umliegende Land beherrschten.

Der Weg führte weiter zum Gestütshof Güterstein, einer Filiale des Haupt- und Landesgestüts Marbach, das zur Aufzucht von Stutfohlen dient. Die heutigen Gebäude gehen auf das Jahr 1819/20 zurück.

Am Ende des Tals geht es steil hinauf zu den Gütersteiner Wasserfällen. Vom kalkhaltigen Quellwasser, das in einer hohen Weißjura-Felswand auf 635 Metern Höhe in sieben bis acht Quellen entspringt, wurde eine mächtige Kalktuffterrasse vorgebaut. Über steile Kalktuffwände stürzt das Wasser rund zehn Meter hinab auf eine schmälere zweite Terrasse, von wo es über viele kleine Fälle über Kalktuff-Stufen und über selbst gebaute „steinerne“ Rinnen hinabrauscht sowie über moosbedeckte Kalktuff-Polster weiterfließt. Für jeden Wanderer überraschend findet sich auf der unteren Terrasse ein künstlich angelegter See. Der heutige Zustand mit zwei Terrassen geht auf den seit den 1680er-Jahren belegten Tuffabbau zurück, der erst die zweite Terrasse hinterlassen hat. Ursprünglich gab es nur eine breite obere Terrasse, die Platz für die Gründung eines Klosters in der Einsamkeit dieses Talschlusses bot.

Drei Klöster – drei Orden: Mitte des 13. Jahrhunderts blieb die von den Grafen von Urach initiierte Gründung eines Zisterzienserklosters ohne Erfolg. Um 1260 übernahm Würt­temberg die Grafschaft Urach, und es war Graf Eberhard der Greiner (gestorben 1392), der den Anstoß zur Gründung einer Benediktinerprops­tei gab, in die das Kloster Zwiefalten einen Propst und vier Mönche schickte. Aber schon 1439 siedelten hier die jungen Grafen Ludwig und Ulrich, die schon drei Jahre später das Land teilen sollten, zwölf Kartäusermönche an. Das neue Kartäuserklos­ter sollte Hauskloster und Hausgrablege werden.

Der 1084 im Tal der Chartreuse (bei Grenoble) gegründete Orden war im 15. Jahrhundert besonders angesehen, weil die Kartäuser eine sehr strenge, regelgetreue Lebensweise praktizierten: Sie lebten als Eremiten in Zellenhäuschen, führten zwar ein Leben in einem Kloster mit anderen Mitmönchen, aber dennoch in Einsamkeit. Sie gelobten ewiges Stillschweigen sowie strenge Enthaltsamkeit, verzichteten auf Fleischkost und nahmen nur Gemüse und trockenes Brot zu sich.

Zwischen 1442 und 1482, als Urach Hauptstadt des Landesteils Württemberg-Urach war, erlebte das Kartäuserkloster Güterstein eine Blütezeit. 1450 wurde in der Klosterkir-che Graf Ludwig bestattet, 1482 auch seine Witwe, die Erzherzogin Mechthild von der Pfalz. Deren Sohn, Graf Eberhard im Bart, ließ 1486 von dem bekannten Baumeister Peter von Kob­lenz eine Andreaskapelle an die Klosterkirche als Grabkapelle anbauen, in die die bisherigen Bestattungen verlegt wurden. Ein um 1510 entstandenes großes, dreiteiliges Altargemälde, das heute im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg aufgestellt ist, zeigt alle damaligen Kartäuser­klöster, unter anderem auch das auf hohem Felsen erbaute Kloster „Beate marie bone lapidis prope Urach“.

1535, nach der Reformation, muss­ten der Prior und 17 Mönche das Kloster verlassen. Die Gebäude wurden 1552/54 abgebrochen, wobei die Steine eine Wiederverwendung beim Bau des Gestütshofs unten im Tal und beim Umbau von Hohenurach­ zur Landesfestung fanden. Die Gebeine und Grabdenkmäler der Würt­temberger Grafen und Gräfinnen wurden in die Stiftskirche nach Tübingen überführt, auch das um 1450 von Hans Multscher entstandene Grabdenkmal Mechthilds von der Pfalz.

Heute können sich die Besucher auf der oberen Tuffterrasse in einer kleinen „Kapelle“ über die Klostergeschichte informieren. Diese wiederum erinnert an eine ganz andere Bedeutung der Gütersteiner Wasserfälle. Der heutige Gedenkraum wurde nämlich in einem ehemaligen Pumpwerk eingerichtet, das Teil einer alten Wasserversorgung der Gestütshöfe „Fohlenhof“ und „Sankt Johann“ war. Bereits 1715 entstand dort die älteste pumpengetriebene Wasserversor-gungsanlage der Schwäbischen Alb. Auf der unteren Terrasse erbaute der Ulmer Glockengießer Theodosius Ernst im Auftrag von Herzog Eberhard Ludwig (gestorben 1733) eine Anlage mit einem Wasserrad von sieben Metern Durchmesser, mittels derer täglich 20 Kubikmeter Wasser 160 Meter nach oben gepumpt werden konnten. Eine Inschrift im Wasserhaus erinnert an den Auftraggeber und dessen Wahlspruch „CDED“ (Cum deo et die = Mit Gott und der Zeit). 1916 wurde anstelle des alten Wasserhauses das heutige Turbinenhaus erstellt und 1921 zur Ergänzung auf der oberen Terrasse ein Häuschen für einen Elektromotor mit Pumpe. Heute versorgt eine unten im Tal errichtete moderne Pumpanlage die auf der Alb gelegenen Gestütshofe. Wenig bekannt dürfte sein, dass Karl Ehmann (1827 bis 1889), der Pionier der Albwasserversorgung, bei Wartungsarbeiten der Pumpwerke an den Gütersteiner Wasserfällen im Jahre 1865 der Gedanke kam, wie sich durch moderne Pumpwerke das alte Problem der Wassernot der Albge-meinden lösen lässt.rg/rk