Nürtingen/ Stuttgart. In der gestrigen Urteilsbegründung hob der Vorsitzende Richter der 19. Großen Strafkammer besonders hervor, dass der Angeklagte selbst die Richterbank ratlos gemacht habe. Und dass in diesem Verfahren auch alle Familienbeteiligten schließlich deutliche Verlierer sind, dass man mit strafrechtlichen Folgen derartiges nicht lösen kann. Ein Vater, der stolz auf seine Familie und vor allem stolz auf seine Kinder sein will, aber durch sein brutales Vorgehen dann doch großes Elend verursacht habe. Er habe auch – aus einer fremden Kultur nach Deutschland kommend – mit Stolz seine drei Kinder aufgezogen und integriert, womit er allerdings nicht zurechtkam.
Der Angeklagte habe sich eingeredet, alles richtig zu machen, sich für die Familie geopfert zu haben, um den Kindern ein besseres Leben hier zu ermöglichen. Dabei, so der Vorsitzende Richter gestern, habe er sich jedoch nicht anders zu helfen gewusst, als täglich brutale Gewalt anzuwenden. Gewalt gegen die Ehefrau, die bereits im Jahre 2004 in der Nürtinger Wohnung begann, Gewalt über acht Jahre hinweg gegen die Kinder, vor allem gegen die beiden Töchter, die dadurch nicht nur körperliche, sondern auch seelische Schmerzen erleiden mussten.
Natürlich habe sich das Gericht auch darüber Gedanken gemacht, ob der Angeklagte zu den jeweiligen Tatzeiten psychisch etwa krank war und somit krankheitsbedingt erheblich vermindert schuldfähig gewesen sein könnte. Nach Anhörung eines Gutachters, der dem Familienvater zwar eine ausgeprägte narzistische Persönlichkeitsstruktur bescheinigte, wurde dies auch bestätigt. Jedoch sei dies laut dem Urteil noch im „Normbereich“ gewesen, sodass den Mann strafrechtlich gesehen die Härte des Gesetzes traf.
Die Strafkammer hatte die acht Jahre Gewalt in ihrem gestrigen Urteil auf zehn einzelne Taten zusammengefasst. Festgestellt wurden Schläge gegen die Ehefrau auf den Kopf, gegen die beiden Töchter Schläge, teilweise mit einem Metallrohr, Boxhiebe und Haare herausreißen, verbunden in einem Fall sogar mit Todesdrohungen und schweren Beleidigungen. Alle Ausraster des Mannes geschahen aus jeweils nichtigen Anlässen. Im letzten Fall, im Sommer vergangenen Jahres, wurde seine inzwischen 19-jährige Tochter durch die Schläge erheblich verletzt.
Dreieinhalb Jahre Haft hatte die Staatsanwältin beantragt. Die Richter milderten um neun Monate ab und schickten den 46-Jährigen jetzt für zwei Jahre und neun Monate in den Strafvollzug. Immerhin hatte der Angeklagte die Vorwürfe im Kern nicht bestritten, aber auf Fragen auch keine Auskünfte erteilt. Ob er die Empfehlung des psychiatrischen Gutachters annehmen wird, sich in der Haft bereits einer Verhaltenstherapie zu unterziehen, ist nicht bekannt. Diese jedoch sei dringend vonnöten, hatte der Sachverständige ausgeführt.