Fussball
Unparteiischen droht das Abseits

Fußball Steffen Müller wird als Obmann der Schiedsrichtergruppe Nürtingen wiedergewählt. Frohe Botschaften gibt es bei der virtuell abgehaltenen Hauptversammlung ansonsten nur wenige. Von Reimund Elbe

Die Zeiten ändern sich - und zwar gewaltig. Drei Jahre ist es her, dass Steffen Müller bei der Hauptversammlung im Frickenhausener Omni als Obmann der Schiedsrichtergruppe Nürtingen inthroni­siert wurde. Aufbruchstimmung herrschte damals in einer proppenvollen Halle - 36 Monate später steht Müller aufrecht im seinem heimischen Büro in Nürtingen vor einer Laptop-Kamera, koordiniert zwei Stunden das virtuelle Treffen, gibt Rechenschaft ab, beschreibt die aktuelle Lage.

Und: Der gebürtige Kohlberger wird ohne Gegenkandidat wiedergewählt. Per Klick auf Smartphone, PC oder Tablet votieren 69 der 74 zugeschalteten Wahlberechtigten für den Amtsinhaber. Kein derart überwältigendes Resultat wie 2018 mit hundertprozentiger Zustimmung, aber ein solides. Das digitale Wahlverfahren wird online professionell unterstützt vom Württembergischen Fußballverband, das Ergebnis liefert eine Spezial-Software.

Müllers neue, dreijährige Amtszeit beinhaltet keine Vergnügungsgarantie. Dies scheint der 39-Jährige zu ahnen. „Wie geht es weiter?“, fragt der Obmann zum Ende seines Rechenschaftsberichts ernst in die Kamera. Die Pandemie hat kaum überraschend auch der hiesigen Unparteiischen-Zunft den Stecker gezogen, was Zahlen verdeutlichen: Im Krisenjahr 2020 gab es nicht einmal die Hälfte der pro Jahr üblichen Spielleitungen.

Eines seiner Hauptfelder hat der Schiri-Chef allerdings durchaus erfolgreich beackert: Bei seiner erstmaligen Wahl 2018 hatte er als Ziel verkündet, die Unparteiischen-Zahl zu stabilisieren. Der scheidende Obmann Harald Kuhn hinterließ ihm damals 141. Aktuell werden 139 zur Pfeife greifende Personen gezählt. „Müller hat die Zahl der Schiris weiter konstant gehalten und zudem viele weitere Herausforderungen gemeistert“, adelte Kuhn, inzwischen stellvertretender Vorsitzender des Bezirks Neckar/Fils, seinen Nachfolger.

Dass diese „Seitwärtsbewegung“ (Müller) in Sachen Gesamtzahl keine Selbstverständlichkeit ist, verdeutlichte der in der Video­konferenz zugeschaltete Stephan Gerster, stellvertretender Schiedsrichter-Obmann des Verbands. Die Summe der Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter im WFV geht stetig zurück: von 6854 anno 2010 über 6300 (2017) bis nunmehr 6065 Ende vergangenen Jahres.

Besonders krass sind die Corona-Folgen für die Nachwuchsgewinnung. Im Verband kamen im Krisenjahr 2020 mit 352 Neuen in Summe nur rund die Hälfe früherer Jahre hinzu. Steffen Müller hatte just das Thema Nachwuchsgewinnung bei seiner Amtsübernahme mit hoher Priorität versehen.

Mit dem Bezirksvorsitzenden Rainer Veit weiß er bei diesem Thema einen wichtigen Verbündeten an seiner Seite. „Schiedsrichtergewinnung hatte ich auch bei meinem eigenen Amtsantritt ganz oben hingestellt“, betont der lokale Fußball-Boss. Künftig will Veit dabei ein neues Lockmittel einsetzen. Die lukrative Ausrichtung von Relegationsspielen werde nur noch vergeben, „wenn der bewerbende Verein auch Schiri-Neulinge bietet“.

Wendlinger als Vorbild

Derweil machte Stephan Gerster der Videokonferenzrunde Mut. „Bisher gibt es trotz Pandemie generell nicht extrem viele Aufhörer“, berichtete der ehemalige Oberliga-Schiri. Zumal es Klubs mit Leuchtturmcharakter gibt - auch in der lokalen Szene. Der TSV Wendlingen führt die aktuelle Hitliste mit elf anrechenbaren Schiedsrichtern vor den SF Dettingen mit zehn und dem FC Frickenhausen mit neun an, der TSV Neckartailfingen und TSV Jesingen (je sechs) folgen. Gegenbeispiele sind der AC Catania Kirchheim, NK Marsonija Frickenhausen, SV Aich, SV Reudern, TSV Neuenhaus, TSV Notzingen und TSV Oberlenningen, laut Obmann Müller aktuell allesamt ohne Pfeifenmann oder -frau.

Mit kreativer Ausschussarbeit und zwei neuen Leuten soll es in der aktuellen Krise und der Zeit danach wichtige Impulse geben. Christian Keim hört als Schriftführer nach 15 Jahren auf, der Kirchheimer Tobias Mengel rückt auf. Der Unterboihinger Andreas Grübel löst derweil Jugendeinteiler Lukas Rosmus ab. Unklar bleibt angesichts der Pandemielage, wann die Neuen in den Praxisteil ihres Ehrenamts übergehen können - und dürfen.