Im Sauhag wurden vier große Bäume für das neue Menschenaffenhaus der Wilhelma geerntet
Unterensinger Eichen für die Gorillas

„Da müssen noch 20 Zentimeter runter“, ordnet Zooinspektor Thomas Seitz an, als die knorrige Eiche samt Ästen auf den Hänger geladen wird. Er hat Angst um die Oberleitungen am Pragsattel, wenn der Baum sein vorläufiges Ziel im Betriebshof der Wilhelma ansteuert. Auf vier Bäumen aus dem Sauhag sollen bald Gorillas klettern.

Unterensingen. Jahrzehntelang wurden Gorillas und Co. in der Wilhelma in einem Haus mit Sanitäranlagen-Ästhetik gehalten. Die neue Menschenaffenanlage soll nun ein richtiges Paradies werden. Dazu gehören auch schöne große Bäume mit vielen Ästen zum Klettern. Und da die Wilhelma schon traditionelle Beziehungen zum Forstrevier Sauhag hat und dort seit 20 Jahren Futter holt, war es nur naheliegend, dort zu suchen und zu finden.

Für die Zwecke der Wilhelma, berichtet Zooinspektor Thomas Seitz, sind Bäume gerade richtig, an denen die Möbelindustrie nur wenig Interesse hätte: möglichst knorrig und verwunden sollen sie sein, mit vielen starken Seitenästen. Denn immerhin soll der Ast einen bis zu 270 Kilogramm schweren Gorilla tragen können. Am Waldrand beim Wasserturm der Lindenhöfe wurde Seitz mithilfe von Revierförster Hartmut Scheuter fündig.

Mit Kran und Anhänger kämpft sich eine Spezialfirma über die steilen und vereisten Feldwege zu den ausgewählten Bäumen durch. Die schwierige Ernte beginnt. Schwierig deshalb, weil die großen Äste möglichst dranbleiben sollen. Normalerweise würde man den Baum zuerst entasten, dann fällen. In diesem Fall entfernen die Waldarbeiter nur das kleine Geäst, dann wird von einem Kletterer eine Schlinge um den Baum gelegt und am Kran befestigt. Das ist notwendig, damit der Baum nicht unkontrolliert umstürzt und bricht, wenn er umgesägt wird.

Die Waldarbeiter setzen die Kettensäge an. Schon bald baumelt die über 100 Jahre alte Eiche am Seil und wird auf den Hänger geladen. Zooins­pektor Seitz ist jedes Mal am Verzweifeln, wenn wieder ein Ast gekürzt werden muss. Endlich liegt die Eiche richtig auf dem Anhänger, nur ein paar zu vorwitzig hochstehende Äste müssen noch gekappt werden, damit die Oberleitungen der Stadtbahn am Pragsattel nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Der Baum misst noch immer stolze 14 Meter, zwei bis drei Festmeter Holz, schätzt Scheuter.

Die Bäume sind noch das Günstigste an der ganzen Aktion, teurer sind die Dienste der Spezialfirma, die die Bäume nach Stuttgart bringt. Eigentlich sollten zwei Bäume auf einmal transportiert werden, doch das stellte sich als unmöglich heraus. Legte man einen zweiten Baum neben den ersten, würden bestimmt einige der Äste brechen.

Zunächst kommen die Bäume auf den Betriebshof der Wilhelma, später werden zwei von ihnen ins neue Gorilla-Gehege gestellt. Dabei werden sie wie Maibäume in große Betonröhren gestellt, verkeilt und eventuell noch mit Spielzeug für die großen Menschenaffen bestückt. Gorillas seien zwar nicht solche Kletterer wie die Zwergschimpansen, steigen aber trotzdem ab und zu gerne auf einen Baum, um sich die Welt von oben anzusehen, berichtet Seitz. Die Bäume sind daher nicht nur Deko, sondern auch Beschäftigung und Teil des Fitnessprogrammes für die Gorillas.

Gewählt wurden ausschließlich Eichen, da diese das stabilste Holz haben. „Eine Buche wäre nach zwei Jahren kaputt“, sagt Förster Scheuter. Die anderen beiden Bäume könnten in der Raubtieranlage Verwendung finden, damit sich die Tiger daran reiben können; auch im Elefantenhaus und bei den Huftieren werden Bäume gebraucht.

Die Wilhelma-Verantwortlichen haben auch Interesse an kleineren Stammstücken und Ästen, die als Futter dienen können. Seit 20 Jahren kommen sie in den Sauhag, um dort im Juni, wenn das Laub gerade voll ausgetrieben hat, jedoch noch nicht angefressen oder von Pilzen befallen ist, frische Blätter zu ernten. Diese werden in großen Beuteln eingefroren und im Winter an die Okapis und manche Affenarten verfüttert, die auf die Tannine aus den Blättern angewiesen sind. Doch zum ersten Mal werden ganze Stämme abgeholt.

Der Sauhag ist deshalb ideal, weil er nicht allzu weit von Stuttgart entfernt ist, gut zu befahren ist, und einen großen Anteil der Baumsorten hat, die in der Wilhelma gebraucht werden: Eiche, Buche, Ahorn, Linde. Und schöne knorrige Stämme, von denen aus bald die Gorillas der Wilhelma schauen, wer sie besuchen kommt.