Kirchheim. Rolf Lütz ist verzweifelt. Seit vier Wochen haben der 73-Jährige aus Kirchheim und seine Familie kein Festnetz-Telefon und kein Internet mehr. Seit vier Wochen telefoniert er immer und immer wieder mit den Call Centern von Kabel BW und Telekom. „Jedes Mal ist jemand anderes dran – und jedes Mal muss ich alles von Anfang an erzählen“, ärgert er sich. „Da weiß die rechte Hand nicht, was die linke tut.“
Aber von Anfang an: Im Januar dieses Jahres erkundigte sich Telekom-Kunde Rolf Lütz unverbindlich bei Kabel BW über Angebote für Telefon und vor allem schnelleres Internet. „Ich habe aber gebeten, erst einmal durch einen Techniker abklären zu lassen, ob das bei uns im Haus überhaupt möglich wäre.“ Die Gesprächspartnerin bei Kabel BW klärte den Kirchheimer jedoch darüber auf, dass das Kommunikationsunternehmen nur dann einen Techniker schicken werde, wenn der Kunde zuvor einen Vertrag abschließe. „Da habe ich gleich gesagt: Dann lassen wir das eben“, erinnert sich Rolf Lütz. Für Kabel BW hatte sich die Sache damit jedoch wohl nicht erledigt: Zwei Tage später schickte ihm das Unternehmen einen Vertrag zu.
Rolf Lütz legte sofort Widerspruch ein – und zwar sowohl per E-Mail als auch auf dem Postweg. „Da wollte ich ganz sichergehen“, betont der Diplomvolkswirt. Den Widerspruch bestätigte Kabel BW dann ebenfalls schriftlich, und Rolf Lütz wähnte sich auf der sicheren Seite.
Erste Zweifel kamen ihm, als rund zwei Wochen später erneut ein Schreiben von Kabel BW eintrudelte: „Vielen Dank für Ihre Bestellung!“, schrieb das Unternehmen. Es werde den bisherigen Telefonanschluss der Familie kündigen und die Rufnummernmitnahme beim jetzigen Anbieter beauftragen. Daraufhin kündigte Rolf Lütz wiederum telefonisch und schriftlich und legte die Briefwechsel zu den Akten – bis Mitte Juli plötzlich Telefon und Internet gekappt wurden.
Der Kirchheimer vermutete eine Störung und rief – per Handy – bei seinem Anbieter, der Telekom, an. Vom Kundencenter erfuhr er nach mehreren Anrufen, dass sein Vertrag gekündigt worden und die Rufnummern seines ISDN-Anschlusses zu Kabel BW portiert worden sei. „Ich habe aber nie einen Portierungsauftrag gestellt oder unterschrieben“, wundert sich Rolf Lütz. Laut Telekommunikationsgesetz hätte die Nummer deshalb nie von der Telekom zu Kabel BW gelangen dürfen, wie Erich Nolte, Rechtsberater bei der Verbraucherzentrale Stuttgart, betont: „Wenn kein Portierungsauftrag erteilt wird, darf nichts portiert werden.“
Unterdessen lief die mehrfache Aufforderung der Familie Lütz an die Telekom, die Nummer wieder zu beschaffen, ins Leere: Das müsse der Kunde schon selbst mit Kabel BW klären. Rolf Lütz griff also wieder zum Hörer – mittlerweile vom Handy seiner Frau aus, da das Guthaben seines Mobiltelefons aufgebraucht war. „Aufladen kann ich es nur über das Internet“, sagt Rolf Lütz – und eben dieses war ja seit Wochen gekappt. Die Anrufe bei Kabel BW waren für ihn ebenso wenig erfreulich wie hilfreich. Die Kundenbetreuung teilte dem Kirchheimer mehrfach mit, dass er die Sache mit der Telekom klären müsse.
„Ich habe aber darauf bestanden, dass Kabel BW das regeln muss“, berichtet Rolf Lütz. Schließlich sei dort versäumt worden, die Telekom darüber zu informieren, dass gar kein Vertrag zustande gekommen und es niemals einen Auftrag zur Rufnummernportierung gegeben habe. Schließlich bekam er die Info von Kabel BW: „Da muss wohl ein Systemfehler passiert sein.“ Damit entschuldigt auch die Kabel BW-Pressesprecherin Melanie Degueldre-Beyer den Vorfall.
„Um Portierungsaufträge im Sinne unserer Kunden möglichst schnell und unbürokratisch abwickeln zu können, haben wir eine elektronische Schnittstelle zwischen Kabel BW und der Telekom eingerichtet“, teilt sie mit. „An dieser Schnittstelle hat es eine technische Fehlfunktion gegeben, in der Folge ist die Stornierung des Portierungsauftrags nicht bei der Telekom angekommen.“
Bei der Telekom bestätigt man, dass Anbieterwechsel zum großen Teil automatisiert und digitalisiert ablaufen. „Das ist auch von der Bundesnetzagentur so gewollt“, sagt Udo Harbers, Pressesprecher der Telekom. „Normalerweise funktioniert das auch gut.“ Was der Familie Lütz widerfahren ist, bezeichnet er als „außergewöhnlichen Vorgang“ und betont: „Wir prüfen die Sache zurzeit sehr genau.“ Tatsächlich habe Kabel BW einen Portierungsauftrag gestellt, ein Storno sei im System der Telekom jedoch nicht zu finden.
Wo auch immer der Fehler gelegen haben mag – der Anschluss der Familie Lütz bei der Telekom war jedenfalls gekündigt, die portierte Nummer befand sich in den Händen von Kabel BW. Internet und Telefon stellte das Unternehmen der Familie dagegen nicht zur Verfügung – schließlich war der Vertrag ja nicht zustande gekommen.
Zu guter Letzt erklärte sich eine Mitarbeiterin von Kabel BW bereit, die Rückportierung zu veranlassen. Die Erleichterung bei der Familie hielt jedoch nicht lange an: Nun telefonierte Rolf Lütz Tag für Tag mit dem Call Center der Telekom – übrigens immer noch vom Handy seiner Frau aus. Immer wieder wurde er aufgefordert, die Rückportierung bei seinem anderen Anbieter zu veranlassen. „Ich habe zigmal erklärt, dass es gar keinen anderen Anbieter gibt“, zeigt sich der Ruheständler entnervt.
Nach etlichen Telefonaten erwischte Rolf Lütz eine Telekom-Mitarbeiterin, die reagierte: Sie machte sich schlau, rief den Kirchheimer zurück: Am 10. August würden Telefon und Internet wieder funktionieren, hieß es. Doch noch immer stehen die Leitungen still. Denn obwohl Rolf Lütz schriftlich die Wiederherstellung seines alten Vertrags zu den bisherigen Konditionen gefordert hatte, buchte ihm die Telekom einen neuen, unerwünschten Internet-Telefonie-Tarif ein. Jetzt heißt es für die Familie erneut: Widerspruch einlegen und abwarten.
Zwar hängt die Familie nun weiter in der Warteschleife. Beide Unternehmen haben sich aber mittlerweile bei der Familie entschuldigt und Trostgeschenke angekündigt: Die Telekom versprach, den Ärger mit einem Los der „Aktion Mensch“ zu lindern, Kabel BW mit einer Gutschrift über 25 Euro. Angesichts der horrenden Handy-Rechnungen der vergangenen vier Wochen, dem Verzicht auf Internet-Banking, E-Mail-Verkehr, Online-Urlaubsbuchungen und anderen, für die Familie mittlerweile alltäglichen Dingen, dürfte dies jedoch ein Tropfen auf den heißen Stein sein.
Verbraucherschutz-Jurist Erich Nolte weist auf die Möglichkeit rechtlicher Schritte gegen das ausführende Unternehmen hin. „Wenn dem Verbraucher ein Schaden entstanden ist, wie etwa durch teure Handy-Telefonate, kann er diesen dem Anbieter in Rechnung stellen.“ Beim Thema rechtliche Schritte winkt Rolf Lütz jedoch ab: „Das Ganze hat mich so viele Nerven gekostet, dass ich auf einen Rechtsstreit einfach keine Lust mehr habe.“