Kreis Esslingen. Die Billigkultur des Essens hat aufgrund eines brutalen Preiskampfes in der Lebensmittelindustrie einmal mehr das Nachsehen. Wahrscheinlich hat jeder in der Vergangenheit schon unwissentlich beim Genuss von Lasagne oder anderen Fertiggerichten Pferdefleisch zu sich genommen. Ausgeschlossen ist dies nicht, wie jetzt verärgerte Verbraucher feststellen mussten. Denn wie überall in der Republik sind die beanstandeten Fertigprodukte auch im Kreis Esslingen in den Handel gekommen, waren aber, als die Mitarbeiter der Lebensmittelüberwachung die Discounter überprüft haben, bereits aus den Regalen und Tiefkühltruhen genommen worden.
„Offensichtlich sind die Informationswege innerhalb der Wirtschaft schneller als bei den Behörden“, sagt Dr. Gerhard Stehle. Das Veterinäramt war Ende vergangener Woche vom Verbraucherministerium alarmiert worden. Der Anfangsverdacht bestätigte sich. „Wir haben von der gesperrten Ware Proben nehmen lassen und darin Anteile von Pferdefleisch entdeckt“, berichtet Stehle. Die Produkte kamen von einem französischen Hersteller.
Im Rahmen ihres Kontrollplanes nehmen die Mitarbeiter des Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamts immer wieder Stichproben und überprüfen dabei auch, ob zum Beispiel Huhn drin ist, wo Huhn draufsteht. „Wir hatten im vergangenen Jahr einige wenige Beanstandungen“, erklärt der Veterinärmediziner.
Durch DNA-Tests können auch winzige Verunreinigungen nachgewiesen werden, etwa in den Chemischen und Veterinäruntersuchungsanstalten in Baden-Württemberg. Von den insgesamt 47 Proben von Produkten verschiedener Marken, sind jetzt 37 Untersuchungen zumindest vorläufig abgeschlossen. Neun dieser Proben zeigten laut Dr. Ulrich Arzberger von der Pressestelle des Verbraucherministeriums auffällige Ergebnisse, in einem Fall lag der Anteil von Pferdefleisch bei etwa 50 Prozent. Daneben habe die Lebensmittelüberwachung eine breite Palette von Produkten weiterer Hersteller untersucht, die alle unauffällig waren. Weitere Tests seien noch im Gange. Dabei werde auch geprüft, ob Tierarzneimittelrückstände wie Phenylbutazon nachgewiesen werden können, nachdem in England Rückstände der Chemikalie in einem Fertigprodukt entdeckt wurden.
„Alle positiven Befunde sind auf die bisher bekannten Lieferwege zurückzuführen. Die Spur führt über Nordrhein-Westfalen zu Betrieben in Luxemburg und Frankreich. Die verdächtigen Produkte haben über den Einzelhandel landesweite Verbreitung gefunden“, so Ulrich Arzberger. Dabei geht der Chef der Esslinger Lebensmittelüberwachungsbehörde davon aus, dass das billige Pferdefleisch legal und als solches deklariert aus Rumänien über Zypern nach Frankreich gelangte und erst dort zum teureren Rindfleisch umetikettiert wurde.
Der Pressesprecher des Verbraucherministeriums bedauerte, dass die Bundesregierung bei der Änderung des Lebensmittelgesetzes den Ländern die Möglichkeit genommen hat, auch bei Fällen von Verbrauchertäuschung Betriebsnamen zeitnah zu veröffentlichen. Ein entsprechender Passus im Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) sei gestrichen worden. „Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten bei Betrugsfällen in dieser Dimension aber zu Recht volle Transparenz“, so Arzberger. Deshalb müsse es den Ländern möglich sein, in Fällen von grober Verbrauchertäuschung Ross und Reiter ohne Verzögerung nennen zu dürfen.
Um den Verbraucher eine Hilfestellung zu geben, informiert das Verbraucherschutzministerium auf seiner Internetseite www.mlr.baden-wuerttemberg.de über Firmen und Produkte, die bereits bekannt geworden seien.