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Vergraben von Steuermitteln

Zum Artikel „Opernarien in Stuttgart-21-Tunneln?“ vom 5.  Januar

Der amerikanische Kulturkritiker Neil Postman hatte seherische Fähigkeiten. Schon 1985 veröffentlichte er seine lesenswerte Monografie „Wir amüsieren uns zu Tode“ mit dem Untertitel „Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie“. Von deren erfolgreichem Wirken kann man sich jeden Tag von Neuem überzeugen. Nicht nur, dass es selbstverständlich geworden ist, die banalsten Dingen durch englische Begriffe aufzuwerten (der Ort wird zur Location, der Einkauf zum Erlebnis-Shopping, ein Schulzentrum heißt jetzt Campus). Nein, dem eventhungrigen, nach sinnstiftenden Erlebnissen gierenden Publikum muss ständig Neues geboten werden.

Da kann man es nur begrüßen, wenn der Vorsitzende des „Vereins Bahnprojekt Stuttgart-Ulm“, Georg Brunnhuber, der Öffentlichkeit jetzt endlich die wahre Bestimmung der gerade wieder teurer gewordenen angeblichen Tiefschräghaltestelle Stuttgart 21 mitteilt und dies mit kreativem Marketing verknüpft. Der auch mit Steuergeld finanzierte Verein ist in Anbetracht der sich auf den Sankt Nimmerleinstag verschiebenden Eröffnung des Haltepunkts auf die grandiose Idee gekommen, die Stuttgarter Tunnellandschaft als „außergewöhnliche Location“ für Opern zu nutzen. Es steht zu hoffen, dass sich auch die entsprechenden Meistersänger und Primadonnen einfinden werden, um dem geneigten Publikum ihre niederschmetternden Arien von der unterirdischen Geschichte des Projekts zu präsentieren: Bitte die Herrschaften Oettinger, Mappus, Schuster, Gönner und Razavi auf die Bühne! Das sind aber nur einige aus dem vielstimmigen Chor derer, die sich für das Vergraben von Steuermitteln zum Zweck der Förderung der Eventkultur eingesetzt haben und noch tun.

Auf das Eröffnungsprogramm darf man gespannt sein. Vielleicht kann Herr Brunnhuber in seiner Begrüßungsrede dann auch gleich erklären, warum S 21 „in der ganzen Diskussion um Feinstaub und Fahrverbote notwendiger denn je“ sein soll. Die Bewertung überlassen wir der Urteilskraft des Publikums.

Josef Janisch, Kirchheim