Kirchheim. Schon seit 1992 wird der Tag des Ehrenamts am 5. Dezember zum Anlass genommen, diese hohe Auszeichnung zu vergeben. Seit 1998 erfolgt die Vergabe, der das Ratsgremium mindestens mit einer Zw
ei-Drittel-Mehrheit zustimmen muss, im zweijährigen Rhythmus. Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker freute sich bei der Feierstunde am Freitagabend, dass so viele das Gemeinwohl der Stadt mitbestimmende Bürgerinnen und Bürger der Einladung ins Kornhaus gefolgt waren.
Dass aus Anlass des Tages des Ehrenamts 2010 vor allem Frauen im Mittelpunkt standen, zeigte nicht nur ein Blick auf das versammelte Publikum. Auch an den Wänden gab es ein Wiedersehen mit den Portraits vieler engagierter Frauen, die im Rahmen der Aktion „Bürgerschaft im richtigen Licht“ schon in zahlreichen öffentlichen Gebäuden ausgestellt waren.
Zu den geladenen starken Frauen zählten auch viele Vertreterinnen, die nicht im klassischen Sektor Soziales, sondern in eher von Männern dominierten Bereichen bürgerschaftlichen Engagements tätig sind, wie etwa bei der Feuerwehr, aber auch im Sport, in der Wirtschaft oder in der Politik. „Frauen sind in allen Bereichen in unserer Stadt aktiv – und das ist gut so“ konnte Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker daher zufrieden feststellen.
In alphabetischer Reihenfolge wandte sie sich anschließend den Menschen zu, denen sie im Auftrag des Kirchheimer Ratsgremiums die Bürgermedaille der Stadt verleihen durfte. Das Ehepaar Ingrid und Dieter Dolderer erhält die Bürgermedaille für ihr Engagement in dem von ihnen gemeinsam gegründeten Verein mit dem hebräischen Namen „Beit Lechem“
– „Haus des Brotes“. Der Verein hilft jüdischen Kontingentflüchtlingen aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion „bei der Suche nach Wohnung, Arbeit und Freunden, beim Erlernen der deutschen Sprache und bei Behördengängen“, erläuterte Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker.
„Sie erleichtern jüdischen Neubürgern die Integration und die Standortbestimmung in ihrer neuen Wahlheimat“, bestätigte Angelika Matt-Heidecker den Eheleuten Dolderer. „In wunderbar unaufgeregter Weise zeigen Sie, wie echte Integration funktionieren kann.“
Als „prägende Person des öffentlichen Lebens unserer Stadt“ charakterisierte sie den ebenfalls mit der Bürgermedaille ausgezeichneten Willi Kamphausen. Als früherer Rektor der Freihof-Grundschule rief er Leseprojekte und -patenschaften ins Leben und engagierte sich im Bereich der Sprachhilfe und der Integration ausländischer Mitbürger. Von 1975 bis 1993 gehörte er dem Kirchheimer Gemeinderat an, heute sei er „tragende Stütze und ausgleichendes Moment“ im Integrationsausschuss.
Durch seine Vorstandstätigkeit beim Verein Brückenhaus ergaben sich vielfältige Verknüpfungspunkte mit der Stadt. „Ganz persönlich arbeiten wir derzeit für die Initiative „Starkes Kirchheim“ zusammen“, betonte Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker und bestätigte dem Mitglied im Stiftungsrat und langjährigen Kirchengemeinderat – der auch als Stadtführer tätig ist – dass er sich nie „als prominenten Kopf und Aushängeschild“ zahlreicher Initiativen sehe, sondern „jederzeit auch ganz praktisch und mit hohem persönlichen Einsatz mithilft und mitarbeitet“.
Der trotz seines nordrhein-westfälischen „Migrationshintergrunds“ voll integrierte Kirchheimer Willi Kamphausen folgte gutgelaunt seinem Landsmann, dem Kabarettisten Hans Dieter Hüsch, der ihm in dieser Situation sicher eingeflüstert hätte, er müsse nun sagen „dat hät net sin müsse.“ Willi Kamphausen machte zugleich auch deutlich, dass er sich über die damit offiziell zum Ausdruck gebrachte Anerkennung sehr freue. Ganz besonders wichtig ist ihm aber die begeisternde Vielfalt bürgerschaftlichen Engagements in Kirchheim, die vor allem auch vielen nicht in der Öffentlichkeit sichtbaren Personen zu verdanken ist. „Sie sind das tragende Netzwerk für das gute Zusammenleben in unserer Stadt. Deshalb gebührt vor allem ihnen Dank und Anerkennung“.
Ingrid Dolderer schloss sich auch im Namen ihres Mannes diesem Dank an und bestätigte ebenfalls, stolz auf eine Stadt zu sein, die „in einer Zeit, in der Antisemitismus wächst“, ehrenamtliches Engagement für Menschen jüdischen Glaubens besonders hervorhebe. An Beispielen beleuchtete sie sehr persönlich ihre Motivation für die gemeinsame Arbeit und bestätigte, dass sie viele der als Migranten oder Kontingentflüchtlinge kennengelernten Menschen bereits als integrierte Kirchheimer Bürger wahrnimmt.
Für ein wahres musikalisches Feuerwerk sorgte Vanessa Wünsch, Bundespreisträgerin des Musikwettbewerbs „Jugend musiziert“, mit virtuosen Einlagen am Marimbaphon. Julia Mammadova und Rita Neimark gaben eine Schubert-Serenade und eine aserbaidschanische Romanze zum Besten.