Radierungen von Wolfgang Neumann im Kulturpark Dettinger
Verrückte Welt

Plochingen. Mit der vierten und letzten Ausstellung verabschieden sich die aktuellen Stipendiaten des Landkreises Esslingen nun endgültig vom Kulturpark Dettinger in Plochingen. Drei Jahre lang haben sie in 


Elke Eberle

ihren Ateliers ausprobiert, weiterentwickelt und präzisiert. Wolfgang Neumann hat für seine Radierungen ganz neue Formate und neue Bildträger gefunden, er zeigt sie jetzt in der Alten Steingießerei unter dem Titel „Peak Flow“.

Wolfgang Neumann zeigt Exzesse, Absonderlichkeiten, Skurrilitäten, in seinen Bildern ist die Welt verrückt, ihr Gleichgewicht ist gestört. In welchem Ausmaß kann nur feststellen, wer mehr als nur an der Oberfläche kratzt. Neumanns Arbeiten wirken wie Brenngläser, je länger der Blick verweilt, desto absurder werden die Szenerien und desto mehr tut’s weh.

Der Begriff „Peak Flow“ stammt aus der Medizin, mit diesem Messwert kann die Schwere einer Atemstörung diagnostiziert werden. Nichts ist in Ordnung in diesen Bildern, die Welt ist krank. Neumann richtet den Blick auf jenen schmalen Grad am Abgrund der Normalität und die Luft wird dünn und dünner.

Wolfgang Neumann wurde 1977 in Filderstadt geboren, er studierte an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart, lebt und arbeitet in Stuttgart und Waiblingen.

Seine digitalisierten und digital bearbeiteten, extrem vergrößerten Kaltnadelradierungen sind beeindruckend, wuchtig, monumental. Die Figuren sind scharf geschnitten, überlebensgroß auf Lkw-Planen aufgezogen und werden in der Schau auf sprödem Absperrgitter präsentiert.

Wolfgang Neumann zeigt Szenen, die manchmal fragil und manchmal skurril sind, manchmal die Politik und Zeitgeschehen ins Visier nehmen, immer jedoch in einer eigenartigen Distanz verharren.

„Die Schlaffen“ und „Die Müden“ verweisen auf die gängige Praxis, weitreichend, relevante Entscheidungen dann zur Abstimmung zu bringen, wenn die geistige Leistungsfähigkeit auf dem Nullpunkt ist. Hier genießt ein Paar die Sonne, während um sie herum die Welt in Stücke fällt. Dort sitzen viele Menschen um viele Bildschirme, die einzige Frau im Raum hält die Hand vor den Mund. Die Frau ist Hillary Clinton, die Gruppe verfolgt die Eliminierung des meistgesuchten Terroristen der Welt.

Eine andere Gruppe hat sich zur „Séance“ versammelt, in ihrer Mitte haben sie ein Glas mit korrespondierenden Inhalten, beobachtet werden die Händchenhalter von mehreren dauergrinsenden Guy-Fawkes-Maskenträgern. Sie mischen sich ein, sind körperlich präsent und bleiben fremd, ihre Mimik verborgen, ihre Absichten unerkennbar.

Auch die Arbeiten von Neumann bleiben oft undurchsichtig, er spielt mit Zwischenebenen ebenso gekonnt wie mit Schärfen und Unschärfen, Präzisierungen und Verwischungen und zeigt Ballaststoffe einer desolaten Gesellschaft.

Die Ausstellung ist bis Sonntag, 28. Juli, geöffnet. Sie ist samstags und sonntags jeweils von 17  bis 19 Uhr zu sehen.