Wer gewinnt, hat recht. Die Formel ist einfach und gilt im Sport fast immer. Das Dinge nicht laufen, wie sie laufen sollten, war trotz Maximalerfolgs von vier Punkten aus zwei Spielen am Wochenende dennoch kaum zu übersehen. Kirchheims Korbjäger geben auf den letzten Metern der Saisonzielgeraden einige Rätsel auf. Klar ist: wären Heimspiele wie gegen Köln oder Hamburg vor wenigen Wochen erwartbarer Standard, gälten die Kirchheimer als Aufstiegskandidat. Für seltsam uninspirierte Auftritte wie am Wochenende findet sich trotzdem nur schwer eine Erklärung. Dabei sahen die Fans zwei Spiele mit interessanten Parallelen. Beide Male standen Mannschaften auf dem Parkett, die einen rabenschwarzen Tag erwischten. Am Freitag war das Nürnberg, am Sonntag in Paderborn der Gast aus Kirchheim. Einziger Unterschied: Nürnbergs Coach Ralph Junge zog im Schlussviertel in Kirchheim, als gar nichts mehr ging, die Reißleine, stellte auf Zonenverteidigung um und den Gegner damit zumindest kurzzeitig vor neue Probleme. Ein Moment, in dem das Spiel, das die Knights gegen einen erschreckend schwachen Gegner klar beherrschten, kurz zu kippen drohte.
Veränderung um der Veränderung willen, wenn gar nichts mehr geht - einen ähnlichen Impuls hatten sich viele auch am Sonntag in Paderborn erhofft, wo die Knights 35 Spielminuten lang einer sicheren Niederlage entgegentorkelten. Dass sich die Gäste am Ende in die Verlängerung retten konnten und dort letztlich auch verdient gewannen, hat weniger mit Teamplay als mit individueller Klasse zu tun. Dass Spieler wie Collins, Barton oder auch Tim Koch aus Wurfchancen, die eigentlich keine sind, spielentscheidende Punkte machen können, hat man in dieser Saison schon allzu oft erlebt.
Kirchheims Headcoach macht es an einem Faktor fest: Selbstvertrauen. „Wir haben eine halbe Stunde lang gesehen, was passiert, wenn es fehlt“, sagt Anton Mirolybov und meint damit indirekt: Es zeichnet diese Mannschaft aus, dass sie es im entscheidenden Moment hat. „Ich bin stolz, dass wir in dieser schwierigen Situation noch einmal zurückgekommen sind.“
Spuren in den Köpfen
Der Doppelspieltag hat aber auch gezeigt: die Saison beginnt Spuren zu hinterlassen. Langzeit-Arbeiter im Dauerstress - allen voran Charles Barton - wirken inzwischen mental ausgelaugt. Der Spielmacher zeigt Konzentrationsschwächen, die man von ihm so bisher nicht kannte. Bei Andreas Kronhardt, einem der wichtigsten Erfolgsgaranten in der Hinrunde, nimmt die Verunsicherung im selben Maß zu wie seine Einsatzzeit schwindet. Seit Keith Rendleman sich in alter Form präsentiert, stand Kirchheims Kapitän nicht mehr in der Startformation. Seit Januar ist bei ihm ein klarer Leistungsknick erkennbar. Beide Leuchttürme gemeinsam scheinen im System von Anton Mirolybov keinen Platz zu haben. Was Rendlemans frühzeitige Vertragsverlängerung für die anstehenden Verhandlungen mit Kronhardt bedeutet, kann man sich ausmalen: nichts Gutes.
Knights-Sportchef Christoph Schmidt dagegen glaubt nicht, dass die momentane Situation die Gespräche mit dem Kapitän erschweren könnten. „Die Achse Charles Barton und Andreas Kronhardt war eine Saisonhälfte lang unsere stärkste Waffe“, sagt er. „Keith hatte seine Probleme, jetzt spielt er stark. Solche Dinge ändern sich, deshalb muss man immer die komplette Saison betrachten.“ Für Schmidt ist aber klar: „Wir würden wahnsinnig gerne mit Andi verlängern.“
Verlängert hat dieser Tage Schmidt selbst: seinen Treueschwur gegenüber den Knights. Sein im Januar verkündeter Rückzug als Geschäftsführer hatte private Gründe. Schmidt wollte den Knights als sportlicher Berater zwar erhalten bleiben, sich jedoch ein zweites berufliches Standbein schaffen. Jetzt kam überraschend der Rücktritt vom Rücktritt. Auch ausgelöst durch die Entscheidung Fabian Schneiders, der als Vollzeitkraft in der Geschäftsstelle den Bereich Organisation hätte übernehmen sollen und der sich nach wenigen Wochen wieder verabschiedete. „Das Feuer für das Projekt Knights brennt noch immer zu stark“, begründet Schmidt seine Entscheidung, sich weiterhin ganz dem Basketball zu widmen. Schöner kann man eine Liebeserklärung kaum formulieren.