Kirchheim. Wolfgang Zöller und Michael Hennrich, Gesundheitspolitiker der CSU beziehungsweise CDU, sind erleichtert: Seit 20 Jahren ist das Patientenrechtegesetz im Werden, jetzt konnte das Werk unter Dach und Fach gebracht werden. Nur die formale Beratung im Bundesrat, dessen Zustimmung jedoch nicht erforderlich ist, steht noch aus.
Das Patientenrechtegesetz sucht europaweit seinesgleichen. Sein eigentlicher Erfolg besteht in der Bündelung etlicher Einzelregelungen. Im Fokus steht jeweils der Patient. „Der Patient soll vom Arzt und den Kassen als Partner wahrgenommen werden“, nennt Wolfgang Zöller eine wesentliche Zielsetzung. Das heißt im Umkehrschluss nicht etwa, dass im deutschen Gesundheitssystem vieles im Argen läge. „Die medizinische Qualität war hier schon immer gut“, blickt der Patientenbeauftragte zurück auf über zwei Jahrzehnte Arbeit im interfraktionellen Gesundheitsausschuss des Bundestages, dem auch Michael Hennrich angehört. Als ehemaliger Sicherheitsingenieur im Chemiewesen weiß Zöller aber auch, dass Gutes besser werden kann. Dies wiederum sei mit dem neuen Gesetz der Fall.
Ein wichtiger Punkt betrifft die Leistungen von Krankenkassen. Sie sollen künftig bei ihren Entscheidungen auf die Tube drücken. Der Patientenbeauftragte kennt Pflegefälle, die monatelang auf einen Rollstuhl warten mussten. Das ist ab sofort anders: Wenn Kassen nicht binnen dreier Wochen über einen Antrag entschieden haben, gilt das Ansinnen automatisch als genehmigt. Sparen dürfen Kassen auch nicht auf Kosten von Mutter-Kind-Kuren. Generell ist Zöller ein großer Befürworter von Kuren, also von Rehabilitationsmaßnahmen. „Letztlich sparen die Kassen durch diese Ausgabe Geld“, vertritt er die Meinung, dass so gut wie jede Reha eine Besserung der gesundheitlichen Situation des Patienten bewirkt.
Auf der anderen Seite setzt Zöller aber auch darauf, dass Patienten nur in begründeten Fällen eine Reha erwirken wollen. „Die gesetzliche Krankenversicherung ist für das medizinisch Notwendige da“, macht er klar, dass auf Luxus oder pure Wellness kein Anspruch besteht: „Jeder Einzelne trägt Verantwortung im Solidarsystem.“ Das gilt natürlich nicht nur für Patienten, sondern auch für Ärzte und nichtärztliche Behandler sowie Kassen.
Insgesamt ist man im Gesundheitsausschuss überwiegend stolz auf das neue Gesetz, das im Wesentlichen eine Zusammenfassung und Konkretisierung vieler einzelner Elemente ist. Im Rückblick auf die jüngste Vergangenheit spricht Zöller von einem Paradigmenwechsel in der Gesundheitspolitik: „Es gibt erstmals seit Langem Reformen, bei denen nicht Leistungen gestrichen werden“, fasst er zusammen.
Ziel der aktuellen gesundheitspolitischen Bestrebungen ist außerdem, Fehler zu vermeiden. „Wir schaffen eine Fehlervermeidungskultur“, sagt der ehemalige Sicherheitsingenieur und gibt zu bedenken, dass statistisch auf zehn Beinahe-Fehler ein richtiger kommt. Deshalb wurde schon in vielen Kliniken ein anonymes Fehlermeldesystem eingerichtet. So konnten beispielsweise schon Hygienemängel behoben werden, indem intensiveres Händewaschen vor Operationen eingefordert wurde. Auch über Patientenfürsprecher könne viel erreicht werden.
Fehler kann es natürlich auch im ambulanten Bereich geben. Generell gilt mit dem neuen Gesetz, dass ab sofort jeder Patient jederzeit Einsicht in seine Akten nehmen kann. Dort muss der Arzt seine Behandlung gründlich und angemessen dokumentieren. Ist dies der Fall, ist es am Patienten, einen etwaigen Behandlungsfehler nachzuweisen. Eine Umkehr der Beweislast schien den Verantwortlichen nicht sinnvoll. Muss der Arzt jeweils die Richtigkeit seiner Behandlung beweisen, besteht die Gefahr, dass etliche Untersuchungen nur noch aus Gründen der Haftungsabsicherung vorgenommen werden. „Wir wollen keine amerikanischen Verhältnisse“, bringt es Zöller auf den Punkt.
Was man auch nicht will, ist, einen Keil zwischen Patienten und Ärzte zu treiben. Das Gesetz richte sich keineswegs gegen irgendjemanden, vielmehr sei eine Stärkung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient das Ziel, betont Zöller. Im überwiegenden Teil der Fälle kommen nämlich beide gut miteinander zurecht. Stimmt die Chemie nicht, muss eben auch mal der Arzt gewechselt werden beziehungsweise die Krankenkasse. In gewisser Weise macht Vertrauen gesund, zumindest trägt es in einem gravierenden Maße zur Gesundung bei.
Das neue Patientenrechtegesetz wurde vom Bundestag bereits beschlossen und dürfte voraussichtlich im April in Kraft treten.
Bereits jetzt können sich Patienten an die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) wenden, die sich als Lotse durch das Gesundheitswesen versteht. Die bundesweite Kontaktnummer lautet 08 00/0 11 77 22, in Stuttgart ist die UPD unter 07 11/2 48 33 95 zu erreichen.