Kirchheim. „Mach ja kein Theater“ – eine Aufforderung, die Dietlinde Ellsässer häufig von der Mutter zu hören bekam. „Sei freundlich, fall nicht auf, tanz nicht aus der Reihe,
füg dich“ habe das geheißen, übersetzt Ellsässer, die in den 60er-Jahren im kleinen Örtchen Hemmendorf bei Rottenburg aufgewachsen ist dem Publikum im Kirchheimer Spitalkeller. Dort hat sie am Wochenende ihr gleichnamiges Buch vorgestellt und ihren vornehmlich weiblichen Zuhörern bei der letzten Veranstaltung der Frauenkulturtage der vhs einen äußerst kurzweiligen, herrlich schwäbisch-knitzen Ausflug in ihre Kindheit, Jugend und die ersten Schritte am Theater beschert. Ein sehr humorvoller, stellenweise aber auch nachdenklicher Blick auf damalige Zeiten und Gepflogenheiten, der beim Publikum für wissendes Kopfnicken und herzliche Lacher sorgte.
Sie habe sich prima darauf verstanden, eben doch „Theater“ zu machen, eine gesunde Portion Eigensinn und Neugier zu entwickeln, erfahren die Zuhörer. Und das schon von Kindesbeinen an, lange bevor sie dann im wahrsten Sinne des Wortes damit angefangen habe, Theater zu machen und es bis heute tue, erzählt die Mitbegründerin des Theaters „Lindenhof“ in Melchingen, die mit unterschiedlichen Programmen auf den Bühnen im Ländle zu sehen ist. „Das fing schon auf dem Weg in den Kindergarten an – damals auf dem Dorf ist man da schließlich noch selbst hingelaufen: Man konnte dann entweder den direkten Weg nehmen oder aber man hat sich selbst einen gesucht und beobachtet, was im Flecken so los ist.
Ich war von Anfang an ein neugieriger Mensch, man könnte das mit einer Henne vergleichen, die scharren auch ständig und gucken, was um sie herum so passiert – anders als etwa Schafe“, zieht Ellsässer den tierischen Vergleich. Die Leute, ja überhaupt die ganz unterschiedlichen Typen im Dorf zu beobachten, das sei genauso gewesen, wie „heimlich ein Brausestäble zu schlecken, das man sich im Lädle für 50 Pfennig gekauft hatte, die man aus der Kittelschürze der Mutter stibitzt hatte. Toll war das doch, selber entscheiden zu können, was man mit dem Fuffzgerle anstellt“, findet Dietlinde Ellsässer und erntet zustimmende Lacher. Da wurden beim Publikum eigene Kindheitserinnerungen wieder wach, ebenso wie beim bekannten Credo: „In den Keller ging man nie leer“ – also ohne – möglichst unaufgefordert – gleich was mit runterzunehmen.
Natürlich werde die Mutter, gerade jetzt, wo sie nicht mehr da sei, trotz früherer teils unterschiedlicher Auffassungen sehr vermisst, das fange schon bei ihren Back- und Kochkünsten an, so Ellsässer. In ihrem Buch habe sie ihre Erinnerungen daher einfach einmal aufgeschrieben. Eine Autobiografie sei es dennoch nicht geworden, betont sie, sie sei auch keine Schriftstellerin, mehr eine „Sprachliebhaberin“. Und dennoch kann man sich ihr damaliges Leben und die Erlebnisse im Heimatdorf, ihre herrlich unangepasste, frische und stets neugierige Art, die ersten Schritte im Schultheater, später dann in professionellen Workshops und auf der Bühne bei den Erzählungen bildlich vorstellen. Das Theater und die damit verbundene Möglichkeit, sich Geschichten auszudenken, sie zu Papier zu bringen und in ganz unterschiedliche Rollen schlüpfen zu können – das sei für sie alles, sagt Ellsässer, Beruf und Berufung zugleich.
Für das Publikum hat sie zum Abschluss einen guten Tipp parat – nicht zuletzt vor dem aktuell stattfindenden Wandel im Land: Man sollte sich in jedem Alter etwas Neues zutrauen, einmal die gewohnte Komfortzone verlassen, „in der es so schön warm ist.“ Offen sein für Neues, damit beginnen, Kleinigkeiten im Alltag zu ändern: „Warum zum Beispiel nicht mal abends das Müsli und morgens das Vesper essen? So fängt‘s schon an.“