Bereits im August sollen 25 Asylbewerber in Holzmaden in dieses Gebäude in der Bahnhofstraße einziehen
Vom Seniorenzentrum zur Sammelunterkunft

Was kommt da auf uns zu? Diese Frage bewegt die Holzmadener Bürger seit klar ist, dass Anfang August bis zu 25 Asylbewerber in das ehemalige Seniorenzentrum in der Bahnhofstraße einziehen werden.

Holzmaden. Der Informationsbedarf ist groß: Über 50 Interessierte hatten trotz des bevorstehenden Halbfinalspiels der Nationalmannschaft den Weg in den Sitzungssaal des Rathauses gefunden. Um Ängste abzubauen, hatten Gemeinde und Landratsamt zu einer Informationsveranstaltung eingeladen. Der Erste Landesbeamte Matthias Berg, Thomas Eberhard, Dezernent für Infrastruktur beim Landkreis, die Leiterin des Kreissozialamtes, Brigitte Walz und Julie Hoffmann vom Sozialdienst für Flüchtlinge der Arbeiterwohlfahrt stellten sich den Fragen der Holzmadener.

Matthias Berg erläuterte zunächst die allgemeine Situation, in der sich der Kreis bei der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern derzeit befinde. Der Kreis sei gesetzlich zur Unterbringung der ihm zugewiesenen Flüchtlinge verpflichtet. Die Flüchtlingszahlen seien in den letzten beiden Jahren wieder angestiegen. Für den Landkreis bedeute dies in diesem Jahr die Aufnahme von 100 bis 120 Personen im Monat.

Gleichzeitig habe sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt, auf dem sich der Landkreis in Ermangelung eigener Immobilien zur Unterbringung umschauen muss, verschärft. Früher habe es ausreichend Wohnraum gegeben. „Den gibt es aber jetzt nicht mehr und das drückt uns sehr.“ So habe sich der Landkreis auch von seiner Strategie, die Asylbewerber eher in größeren Kommunen unterzubringen, verabschieden müssen. Mittlerweile seien es rund 30 Standorte im Kreisgebiet, viele davon in kleineren Kommunen, an denen die Asylbewerber untergebracht seien.

Berg bat die Holzmadener darum, sich von der neuen Situation nicht abschrecken zu lassen und die Neuankömmlinge offen aufzunehmen. „Die Leute müssen eine echte Chance haben, hier anzukommen“, so sein Appell. Dann werde es mit der Sammelunterkunft in der Gemeinde auch gut klappen.

Brigitte Walz, Leiterin des Kreissozialamts, umriss die konkreten Aufgaben des Landkreises: „Wir kümmern uns um die Unterbringung, Verpflegung, medizinische Versorgung und Soziales.“ Letzteres übernehme die Arbeiterwohlfahrt im Auftrag des Landkreises. Auch zur Dauer der Unterbringung informierte Walz: Die Asylsuchenden blieben maximal 24 Monate in der Sammelunterkunft. Dann sei entweder das Asylverfahren abgeschlossen oder die Menschen würden bis zum Abschluss des Verfahrens auf normale Wohnungen im Kreisgebiet verteilt.

Wie die Betreuung der Menschen in der Sammelunterkunft aussieht, beschrieb Julie Hoffmann von der Arbeiterwohlfahrt. „Je nach Größe einer Einrichtung und dem Bedarf bieten wir zwischen einer und vier Sprechstunden in der Woche in der Einrichtung an, bei denen die Menschen mit ihren Fragen oder Problemen kommen können“. Darüber hinaus seien die Mitarbeiter der AWO auch immer telefonisch erreichbar. Sie kümmern sich darum, dass das Zusammenleben von Einheimischen und Flüchtlingen reibungslos verläuft: „Es ist uns wichtig, dass die Flüchtlinge unsere deutschen Wertvorstellungen anerkennen.“

Entscheidend für ein ordentliches Miteinander seien aber auch die Bürgerinnen und Bürger. „Was für uns und die Flüchtlinge eine große Unterstützung wäre, ist Ihr Wissen um alles, was es in der Gemeinde gibt: Eine Bücherei, Sportvereine, Ansprechpartner“, appellierte Hoffmann an die Holzmadener, Integration ins Gemeindeleben möglich zu machen. Hilfreich sei hier auch ehrenamtliches Engagement, sei es durch die Einrichtung einer Kleiderkammer oder die Einrichtung von Deutschkursen. Julie Hoffmann hatte eine Liste mitgebracht, in die sich im Anschluss der Informationsveranstaltung alle eintragen konnten, die sich eine ehrenamtliche Tätigkeit vorstellen können.

In der anschließenden Fragerunde überwogen jedoch die kritischen Stimmen zur Sammelunterkunft. Eine Mutter wollte wissen, ob sie angesichts der Tatsache, dass derzeit hauptsächlich alleinstehende Männer als Flüchtlinge nach Deutschland kämen, ihre Töchter überhaupt noch abends alleine aus dem Haus lassen könne. Hier konnten Brigitte Walz und Julie Hoffmann allerdings von ihren bisherigen Erfahrungen aus den anderen Sammelunterkünften berichten. „Wir haben bisher 30  Standorte – und nirgends ein Prob­lem“, sagte Walz.

Auch der häufige Bewohnerwechsel in der Sammelunterkunft macht den Anwohnern Sorgen. Kaum habe man sich auf die Menschen eingestellt, seien diese schon wieder weg und neue Asylsuchende da. Matthias Berg versuchte, diesen Einwand zu entkräften: „Wechsel wird es immer geben. Aber denken Sie mal an ein Studentenwohnheim, da haben Sie diese Wechsel auch.“

Sauer stößt den direkten Nachbarn der neuen Unterkunft auch die lange Mietdauer auf, die der Landkreis mit dem Besitzer des ehemaligen Seniorenzentrums vereinbart hat: Das Mietverhältnis ist zunächst auf zehn Jahre angelegt. „Wir haben Angst vor einer Wertminderung unserer Häuser“, machte eine Anwohnerin deutlich.

Generell fühlten sich etliche der Anwesenden vor vollendete Tatsachen gestellt. „Wäre es nicht sinnvoller gewesen, eine Infoveranstaltung noch vor der Unterzeichnung eines Mietvertrages zu machen? Für uns ist das jetzt eher eine Werbeveranstaltung“, lautete eine mit viel Beifall bedachte Wortmeldung . Dann hätte die Bürgerschaft die Möglichkeit gehabt, etwa über die Anzahl der unterzubringenden Personen mitzuverhandeln. Bürgermeisterin Susanne Jakob machte allerdings klar: „Es ist ein privatrechtlicher Mietvertrag zwischen dem Landkreis und dem Besitzer.“ Eine Infoveranstaltung mache aber erst dann Sinn, wenn der Mietvertrag fix sei. „Wir können ja keine Informationsveranstaltung machen und dann kommt kein Vertrag zustande.“

Deutlich machte Bürgermeisterin Jakob auch, dass die Gemeinde ehrenamtliches Engagement für die Asylsuchenden durch Bürger und Vereine unterstützen werde: „Da werden wir uns als Gemeinde solidarisch zeigen“, sicherte sie zu. Jakob trug sich auch demonstrativ als Erste in die Liste der potenziellen Ehrenamtlichen ein.