Kirchheim. Eine Meerschweinchenzucht? Wenn Ramona Bader aus Lindorf von ihrem Hobby erzählt, erntet sie immer wieder ungläubiges Lächeln. „Das macht mir aber nichts aus“, winkt die 48-Jährige lachend
ab und beginnt, einen Eisbergsalat auszuwickeln. Das Geräusch kennen ihr Schützlinge nur zu gut: In dem Reihenhausgarten setzt wie auf Kommando ein Quiekkonzert ein. Die kleinen Nager stellen sich auf die Hinterbeine und drängeln sich in den Ecken, um möglichst schnell an das Grünzeug zu kommen. Rund 100 Meerschweinchen tummeln sich in verschiedenen Stallanlagen, etwa ein Drittel davon sind Jungtiere.
Ramona Bader ist seit über sieben Jahren Meerschweinchenzüchterin aus Leidenschaft. Ihre Zucht heißt „Meerschweinchen zum Teckblick“. „Verdienen kann man damit nichts“, sagt die Tierliebhaberin. Denn Futter-, Streu- und Tierarztkosten spielt der Verkaufspreis bei Weitem nicht ein. Vom Arbeitsaufwand ganz zu schweigen: Zwei bis drei Stunden verbringt Ramona Bader am Tag im Garten bei ihren Nagern. Da gilt es Ställe auszumisten, Futter zu verteilen und ein Auge auf sämtliche Tiere zu werfen, ob sie gesund sind.
Das absolute Highlight ist es für die Lindorferin immer, wenn sie einen neuen Wurf entdeckt. Meist geschieht das bei Meerschweinchen ganz unauffällig und ohne Vorankündigung. Allerdings treten immer wieder auch Komplikationen auf. Manchmal stirbt ein Baby schon im Mutterleib, was zu der gefürchteten Trächtigkeitstoxikose, einer Schwangerschaftsvergiftung, führen und das Leben von Mutter und Geschwistern bedrohen kann. „Einmal ist auch ein Baby im Geburtskanal stecken geblieben“, erzählt Ramona Bader. Da war dann sanfte, aber beherzte Geburtshilfe gefragt. „Das Kleine hat überlebt und ist heute putzmunter.“
Laufen die meisten Geburten ohne menschliches Zutun ab, so überlässt Ramona Bader bei der Zusammenführung von zwei Tieren nichts dem Zufall. „Man muss schon ganz genau auswählen, welchen Bock man mit welcher Sau verpaart“, betont sie. Nicht jedes Tier passt zu jedem, im schlimmsten Fall kann es sogar zu Fehlbildungen kommen.
Um so etwas auszuschließen, haben alle ihre Zuchttiere Stammbäume, die Aufschluss über Rassen und Farben geben. „Als Züchter baut man sich eine Linie auf und hat ein bestimmtes Zuchtziel“, erläutert sie. Die Lindorferin hat sich zum Beispiel vorgenommen, die Meerschweinchenrasse Rex in der Farbe Schimmel zu züchten. „Diese Farbe ist bei dieser Rasse bis jetzt noch nicht anerkannt“, so Bader. Gelingt es ihr, vier gleich gefärbte Rex-Meerschweinchen zu züchten, so kann sie die Kombination anerkennen lassen.
Ganz ohne Vorwissen klappt so etwas natürlich nicht. Darum hat Ramona Bader bereits zwei Farbgenetik-Seminare belegt – eine Wissenschaft für sich: „Das muss man büffeln wie Vokabeln“, weiß die gelernte Hauswirtschafterin.
Neben der Rasse Rex züchtet Ramona Bader auch Rosettenmeerschweinchen und die wuscheligen Schweizer Teddys. Zwei Mal hat sie besonders schöne Exemplare aus ihrer Zucht schon bei Ausstellungen präsentiert. „Ich habe gedacht: Mal sehen, ob meine Gartenmeerschweinchen da überhaupt eine Chance haben.“ Und tatsächlich: Schon bei der ersten Ausstellung in Karlsruhe gab es gute Noten. Bei der zweiten Ausstellung, die Ramona Bader selbst für den bayerischen Landesverband in Kirchheim organisiert hat, sahnte die Hobbyzüchterin gleich mehrere erste Plätze ab. „Ich habe sogar einen Pokal bekommen“, lacht sie.
Abzüge gab es vor allem für eine Sache: „Eigentlich müssen Meerschweinchen vor einer Ausstellung gebadet und gekämmt werden“, weiß Ramona Bader. Da allerdings streikte die Tierfreundin. „Ich halte das für Tierquälerei.“ Überhaupt: Bei allem Zuchtehrgeiz hat für sie die artgerechte Haltung ihrer Schützlinge oberste Priorität. Für die Lauftiere hat Ramona Bader mit Unterstützung von ihrem Mann und ihren Kindern ein kleines Meerschweinchenparadies im Garten geschaffen. Aus dem Schuppen mussten die Liegestühle weichen, um Innen- und Außengehege mit genügend Fläche und Abwechslung zu schaffen.
Auch bei der Abgabe legt die Züchterin strenge Kriterien an: „Bei mir bekommt nicht jeder ein Tier“, betont sie. Ein Ausschlusskriterium ist für sie die Einzelhaltung. Auch als Partner für Kaninchen gibt sie keines ihrer Tiere her: „Die sprechen einfach unterschiedliche Sprachen.“ Bei Familien, die die Tiere als Geschenk für ihre Kinder wollen, zögert die Lindorferin ebenfalls. Das allerdings heißt nicht, dass die Tiere nicht glücklich in einer Familie leben können – sofern sich die Erwachsenen verantwortlich fühlen und darauf achten, dass die Tiere gut behandelt werden. Ramona Bader selbst hat vier Kinder zwischen 14 und 24 Jahren. Außerdem gehören noch ein Belgischer Schäferhund und ein Pinschermix zur Familie.
Dass die Lindorferin überhaupt zur Meerschweinchen-Zucht kam, hat sie übrigens ihren Nachbarn zu verdanken. Die wollten nämlich ein Junges von den bis dato rasselosen Nagern, die schon seit Jahren bei den Baders auf der Terrasse lebten. Ramona Bader, deren Kinder zu dem Zeitpunkt aus dem Gröbsten heraus waren, nahm Kontakt zu einer Züchterin auf und fing Feuer – der Beginn ihrer Züchterkarriere.
Weitere Informationen gibt es auf der Homepage www.teckblick.de.tl.