Kirchheim. Erstmals fand in der Kirchheimer Martinskirche ein „Schaulaufen“ von Kirchheimer Bands statt. Bei diesem „Bandmarathon“ mit insgesamt fünf Formationen wurde deutlich, mit welcher stilistischen Vielfalt und Professionalität im popmusikalischen Bereich zu rechnen ist. Und es wurde zudem schmerzhaft bewusst, dass man in Kirchheims Kulturszene bei Veranstaltungen in diesem Bereich die eigenen Kapazitäten sträflich vernachlässigt und lieber auf Prominenz von außerhalb setzt.
Als um 19 Uhr die Gruppe V.I.P mit Daniel Zoch als Frontmann mit Covernummern von „Green Day“ und „Poison“ den Startschuss gab, war die Kirche noch eher spärlich besetzt. Dies sollte sich aber im Lauf des Abends ändern. Immer mehr zufällig an der Martinskirche vorbeischlendernde Stadtbesucher fühlten sich von den ungewöhnlichen Klängen aus der Martinskirche angezogen, die beim Auftritt der Ötlinger „Heaven Groove Band“ noch aus bekannten Songs der christlichen Jugendkultur wie „Blessed be your name“ und „One way“ bestanden.
Die zum Mitmachen und Mitsingen einladenden Pophymnen waren für den weiteren Verlauf des Abends jedoch sicher ein ganz wichtiger Anknüpfungsfaktor, ohne den später „Souzuka8hours“ mit teilweise experimentellen Soundkombinationen und mit zwischen rockig und slow-mood wechselnden Rhythmen wohl schwerer zum Publikum gefunden hätte. Und es sah auch tatsächlich zunächst danach aus, dass nach den mitreißenden Auftritten von „V.I.P“ und der „Heaven Groove Band“ eine kleine Publikumsleere entstehen würde.
Davon aber völlig unbeeindruckt, griff Philipp Enderle, begleitet von seiner Band, virtuos in die Gitarrensaiten und sorgte mit einem markigen Folk-Rock und mit Leidenschaft dafür, dass sich der Kirchenraum wieder zusehends füllte. Mit „Summertime“ bewies er zudem, dass man auch im Dreivierteltakt grooven kann, wie ohnehin die Bandbreite der popularmusikalischen Möglichkeiten an diesem Abend erstaunte.
Am Ende des Abends ließ Leonard Tomschi sogar die große Martinsorgel in einer Weise erklingen, wie sie es ihrer Lebtage wohl nicht mehr vergessen wird. Wie in einem großen Bluff mutierte Bachs d-moll-Toccata mehr und mehr zum Blues und schließlich mit Michael Jacksons „Beat it“ zum Funk. Dabei muss auch der Mut der Instrumentalisten des „Tomschi-Quartetts“ bewundert werden, die nur mit spärlicher Tontechnik unter den Voraussetzungen der besonderen Kirchenakustik miteinander klarkommen mussten.
Vor dem Tomschi-Quartett gab es aber noch Herausforderndes mit Psychedelic-Rock und „Souzuka8hours“, die mit Jonathan Maier als Leader nicht nur ein Gesamtkunstwerk präsentierten, in dem die verschiedenen Stückeinheiten nahtlos miteinander verbunden wurden, sondern ihre Musik wurde noch zusätzlich mit einer sehenswerten Videocollage untermalt. Wie eine Klammer strukturierte die Musik melancholische Melodierufe nach verlorener Liebe, von Jonathan Maier verzerrt und deshalb fast gespenstisch ins Mikrofon gesungen. Es war faszinierend, dass gerade der wohl anspruchsvollste Part des „Bandmarathons“ die meisten Zuhörer hatte.
Und wie immer bei solchen Anlässen, war die Grundvoraussetzung eines gelungenen Abends sicher die Meisterleistung von Markus Reinert von „Limburg-Sounds“ am Mischpult. Als kurz nach Mitternacht die Kirche wieder für den Sonntagmorgen-Gottesdienst vorbereitet wurde, fragte man sich, warum es diese faszinierende Art der Musikkultur in der Kirche – und darüber hinaus – so schwer hat. Bezirkskantor Sach jedenfalls hat für das kommende Jahr einen neuen „Bandmarathon“ angekündigt.