Gewerkschaften blicken voraus auf den 1. Mai
Von der Arbeit leben

Die Gewerkschaften sorgen sich um den sozialen Frieden. Ihr Motto zum Tag der Arbeit am 1. Mai lautet deshalb „Gute Arbeit. Sichere Rente. Soziales Europa“. Es gehe nicht mehr um die Frage des Einkommens, sondern um die Frage des Überlebens, hieß es gestern bei einer Pressekonferenz in Esslingen.

Esslingen. Jörg Munder, Regionssekretär des DGB, Region Nordwürttemberg, fordert „Sicherheit für die Menschen, dass sie von ihrem Gehalt leben können“. Und auch Rentner sollten von ihrer Rente leben können. Die Gewerkschaften würden deshalb konsequent auf das Problem prekärer Beschäftigungsverhältnisse aufmerksam machen. Ob Leiharbeit oder befristete Jobs – viele Beschäftigte ringen um ihre Existenz. Die Solidarität mit Europa hat für die Gewerkschaften ebenfalls einen hohen Stellenwert. In Griechenland beispielsweise gebe es keine Tarifautonomie mehr, wodurch „im Handstreich“ Arbeiterrechte abgeschafft worden seien, die hundert Jahre lang Bestand hatten.

Zum 1. Mai ist aber auch ein Blick in die Vergangenheit vorgesehen, denn mittlerweile ist es genau 80 Jahre her, dass die Nationalsozialisten ­am Tag nach dem symbolträchtigen 1. Mai die Gewerkschaften zerschlagen haben. Ausschlaggebend dafür waren Jörg Munder zufolge auch die Betriebsrätewahlen vom März 1933. Die Auszählung der Stimmen sei damals abgebrochen worden, nachdem sich abzeichnete, dass fast drei Viertel aller Stimmen auf die freien Gewerkschaften fallen würden. Die Nationalsozialisten hätten gemerkt, dass sie keine Rolle in den Gewerkschaften spielen.

Zurück zur Aktualität führte Sieghard Bender, der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Esslingen. Er kündigte für die Esslinger Metallindustrie Warnstreiks ab 2. Mai an, die ab 13. Mai in einen Arbeitskampf münden könnten. Es gehe darum, auch die Belegschaften an den Gewinnen der Unternehmen teilhaben zu lassen. Obwohl er „keine großen Wachstumsraten“ erwartet, sind die ökonomischen Aussichten für Sieghard Bender keinesfalls düster. Trotzdem fragt er sich, wie es weitergehen soll, „wenn schon eine halbe Mittelmeerinsel ganz Europa zum Zittern bringt“ und wenn dann vielleicht noch Slowenien oder Italien dazukommen.

Für Kirchheim und den 1. Mai wenigstens sind die Zukunftsaussichten klar: Der DGB-Ortsverbandsvorsitzende Wolfgang Scholz verwies gestern darauf, dass die Kundgebung vor dem Kirchheimer Rathaus um 13.30 Uhr beginnt. Als Gastrednerin tritt Sybille Stamm auf, ehemalige Landesvorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft verdi und heutige Linken-Politikerin. Der Demonstrationszug führt anschließend zum Fest in die „Linde“. Für musikalische Unterhaltung sorgt das „Trio Bluesette“.

Auch der 1. Mai 1933 werde in Kirchheim thematisiert. Damals habe es „einen großen NSDAP-Aufzug“ gegeben, sagte Wolfgang Scholz. Er erinnerte zudem an die Ehrenbürgerwürde für die württembergischen NS-Größen Wilhelm Murr und Christian Mergenthaler, die am 1. Mai vor 80 Jahren verliehen worden war.