Kirchheim. Von der Fachpresse wurden sie schon als „Jäger der Nacht“ tituliert: in der Dämmerung, der sogenannten „blauen Stunde“, rücken die Fotografen Christoph von Haussen und Rolf Linnemann ihren Motiven mit raffinierter Lichtregie zu Leibe. So entstehen Bilder, in denen Vertrautes in trügerisches Zwielicht rückt, Schönes und Schauriges einen hochästhetischen Schulterschluss vollziehen. „Magic Places“ nennen die beiden Weilheimer ihre Werkreihe. Einblicke gewährt die gleichnamige Ausstellung im ersten Obergeschoss der Städtischen Galerie im Kornhaus, die am Sonntag, 6. März, um 11 Uhr eröffnet wird. Im Gespräch mit den Künstlern spürt Florian Stegmaier der Entstehung dieser „magischen“ Bildwelten nach.
Herr von Haussen, Herr Linnemann, Ihre Ausstellung in der Städtischen Galerie im Kornhaus trägt den Titel „Magic Places“. Was sind das für magische Orte, die den Besucher dort erwarten?
„Es sind meist ganz einfache Objekte, je einfacher, desto besser. Uns faszinieren gerade die simplen Dinge „hinterm Haus“. Magisch werden diese Orte, wenn sie ein Geheimnis darstellen oder nicht richtig einzuschätzen sind. Das Unerwartete sichtbar zu machen, gelingt uns mithilfe des Lichts. Die Lichtsituationen, die unseren „magischen Orten“ eigen sind, sind auch nur auf dem fertigen Bild erlebbar. Dann fängt die Fantasie beim Betrachten an zu arbeiten und erzählt Geschichten, die an Märchen, Krimis oder Abenteuerromane erinnern.“
Stichwort Licht: Auch der fotografische Laie bemerkt in Ihren Bildern einen ausgefeilten Umgang mit verschiedenen Lichtsituationen. Können Sie etwas zur Aufnahmetechnik verraten?
„Alle Aufnahmen entstehen nachts oder während der Dämmerung. Die Objekte werden mit Licht bemalt und bekommen so eine magische, märchenhafte oder auch schaurige Stimmung. Je nach Objekt liegen die Belichtungszeiten zwischen fünf Minuten und einer Stunde. Unsere Aufnahmeorte machen wir tagsüber ausfindig und erstellen einen genauen Beleuchtungsplan. Zwei bis drei Stunden vor der eigentlichen Aufnahme richten wir dann Stativ, Kamera und Schärfe ein, um anschließend die Beleuchtungssituation durchzusprechen. Dann beginnt das Warten auf die richtige Tageszeit. Jeder Beleuchter kennt seinen genauen Weg, den er lichttechnisch einhalten muss, ansonsten ist das Bild nicht verwendbar. Bei der Belichtung bewegen wir das Licht und wandern mit ihm um unser Objekt herum. Da wir beide aus der Industrie- und Werbefotografie kommen, wissen wir sehr genau, wohin sich unser Licht bewegen muss, damit es die gewünschte Stimmung erzeugt. An einem Abend schaffen wir zwei bis drei Belichtungen für ein Bild, dann ist das Restlicht des Himmels zu dunkel. Störend sind auch fremde Lichtquellen wie Straßenlaternen, Autoscheinwerfer oder Licht in Häusern. Wir benutzen also nur unser eigenes Licht und können so ganz exakt nach unseren Vorstellungen gestalten.“
Seit vier Jahren arbeiten Sie an der Serie „Magic Places“, die unterdessen bundesweit in zahlreichen Galerien zu sehen war und mit regem Publikumszuspruch bedacht wurde. Worin besteht ihrer Ansicht nach das spezifische Faszinosum dieser Bilder?
„Für uns hat Fotografie die Aufgabe, die Menschen zu überraschen und emotional zu berühren. Es ist der Zwiespalt zwischen Bekanntem und Fantastischem, der uns staunen lässt. Die Irritation einer Welt bei Nacht, die aber mit dem Licht versehen ist, das wir vom Tag her kennen, bringt unser gewohntes Sehen durcheinander.“
Wie sieht Ihre Arbeit als „Künstler-Duo“ eigentlich konkret aus? Gibt es da eine bestimmte Aufgabenverteilung oder individuelle Schwerpunkte?
„Für ein gutes Foto gehen wir schon mal durch einen eiskalten Fluss, klettern bei Nacht einen gefrorenen Wasserfall hinunter, überqueren schlammige Äcker oder tragen die Ausrüstung bei Gluthitze durch Steinbrüche - und keiner von uns ist sich dafür zu schade. Die Hauptaufgabe unserer Zusammenarbeit besteht darin, geeignete Objekte zu finden und auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Da braucht man schon viele Gemeinsamkeiten, einen ähnlichen Humor, aber auch eine ähnliche Weltanschauung, sonst ist so ein Projekt zum Scheitern verurteilt. Zu Beginn wird natürlich über den Kamerastandpunkt und die Lichtführung diskutiert. Oft sind es nur Millimeter-Entscheidungen, die ein gutes von einem schlechten Foto trennen. Dann wird die Stimmung besprochen, die das Bild vermitteln soll. Rein technisch gesehen macht jeder von und das Gleiche. Wenn die Kamera erst mal steht und jeder mit dem Bildausschnitt zufrieden ist, beginnt das Warten auf die Dunkelheit. In dieser Wartephase besprechen wird die Lichtführung. Am allerwichtigsten ist aber die Vermittlung der Stimmung, die durch das Licht erzeugt werden soll. Da muss totale Übereinstimmung herrschen.“
Die Ausstellung „Magic Places - Fotografien von Rolf Linnemann und Christoph von Haussen“ ist vom 6. März bis 3. April in der Städtischen Galerie im Kornhaus in Kirchheim zu sehen. Eröffnet wird sie am morgigen Sonntag, 6. März, um 11 Uhr mit einer Einführung von Dr. Susanne Lüdtke. Zur Finissage am Sonntag, 3. April, findet außerdem ein Künstlergespräch ab 15 Uhr statt.