Kirchheim. Die Kinder und Jugendtheatertage „Szenenwechsel“ haben zweifellos einen sehr guten Start hingelegt. Erika Domeni von „Theatrino“ – dem „Theater für kleine Leute“ – hatte zum Auftakt in ihrer dankbaren Rolle als „Der Bücherwurm“ in vier fast ausverkauften Aufführungen gezeigt, dass Lesen auch unter schwierigsten Bedingungen Langeweile vertreiben kann.
Selbst im Mittelpunkt des tiefsten Funklochs, bei Stromausfall oder leerem Akku können sich zwischen konventionellen Buchdeckeln immer noch die spannendsten Abenteuer im Kopf abspielen. Am Freitag legte Claudia Olma vom Marotte Figurentheater mit erneut einfachsten Mitteln und zwei sehr kindgerechten Aufführungen im Stadtkino erfolgreich nach.
Auf dem Programm stand der legendäre „Grüffelo“, der 1999 unter dem Originaltitel „The Gruffalo“ von der britischen Schriftstellerin Julia Donaldson erfunden, von Axel Scheffler illustriert und von Monika Osberghaus aus dem Englischen übertragen wurde.
Die deutschsprachige Ausgabe erschien im gleichen Jahr. Der Weltbestseller gilt in Großbritannien als moderner Kinderbuchklassiker und war offensichtlich auch allen Kindern und Begleitpersonen im Kirchheimer Stadtkino bestens bekannt. Auch wenn sie alle der mit angetackertem Schwanz und künstlichen Mausezähnen daherkommenden Claudia Olma lippensynchron hätten soufflieren können, genossen sie die kindgerecht erzählte Geschichte von Anfang an.
Einfallsreich wurde vorgeführt, wie eine kleine Maus sich allein mit der Kraft ihrer überbordenden Fantasie aus jeder Gefahrensituation dadurch befreit, dass sie einfach ein schreckliches Monster erfindet, das jeden Moment auftauchen kann und ihren augenblicklichen Gegner vermutlich sofort genüsslich auffressen will. Selbstbewusst und clever kann sie sich so gefährlicher und körperlich klar überlegener Feinde äußerst erfolgreich erwehren.
Überzeugend beruft sie sich in jeder Angst einjagenden Begegnung mit gefährlichen Tieren auf ein mit „schrecklichen Hauern und Klauen“, „knotigen Knien“, „grässlichen Tatzen“ und „einer giftigen Warze“ daherkommendes und angeblich eng mit ihr befreundetes „Ungetüm“ namens „Grüffelo“. Da weder Fuchs, Schlange noch Eule von diesem schrecklichen Monster aufgefressen werden wollen, schlagen sie sich in die Büsche und sorgen dafür, dass die Maus jedes Mal triumphieren kann. Angst und Schrecken versetzt dann aber auch ihr das in so originellen wie immer wieder höchst erfolgreichen Verteidigungsstrategien frei erfundene und einfallsreich beschriebene Monster, als es plötzlich leibhaftig vor ihr steht.
Die kleine unscheinbare Maus versteht es dann aber auch noch, selbst das große grässliche Monster mit seiner warzengeschmückten Nase zu täuschen. Das unscheinbare Mäuschen erzählt dem Furcht einflößenden „Grüffello“, dass alle Tiere im Wald Angst vor ihr hätten und kann das auch überzeugend beweisen. Wann immer ein Tier die Maus und das sie begleitende Monster entdecken, ergreifen sie sofort die Flucht.
Als die dadurch immer selbstsicher werdende Maus zuletzt erklärt, dass sie am liebsten „Grüffelo-Grütze“ isst, ergreift auch das plötzlich verängstigte Monster die Flucht und die Kinder feiern begeistert die clevere Maus, die inzwischen wieder ihre falschen Zähne trägt und endlich die inzwischen gewissenhaft geknackte Nuss fressen kann.
Einfach aber überzeugend wurde vermittelt, dass man sich mit Cleverness und Fantasie auch gegenüber weit überlegenen Gegnern behaupten und sich zur Not immer wieder erfolgreich über die Runden „mogeln“ kann. Es stimmt wohl doch, dass Frechheit siegt, denn mit Selbstbewusstsein und entsprechendem Einfalls- und Ideenreichtum kann weit mehr erreicht werden, als zunächst objektiv möglich scheint.
Dass es sich lohnt, sich zu wehren und mutig das Risiko einzugehen, sich vielleicht auch einmal zu überschätzen, wurde witzig und unterhaltsam vermittelt. Gleichzeitig konnte Claudia Olma vom Marotte Figurentheater den klaren Beweis erbringen, dass auch von Computerspielen, Videoclips und aufwendigen Animationen verwöhnte Kinder ganz leicht zu gewinnen sind. Es genügt offensichtlich, die versammelte Fangemeinde als Maus verkleidet im Kino persönlich anzusprechen, ernst zu nehmen und sie mit zwei falschen Zähnen und einem per Karabinerhaken gut gesicherten Mäuseschwanz schon einmal für sich und die bevorstehende Geschichte einzunehmen.