Philip Oprong Spenner präsentierte im one.buchcafé in Dettingen „Move on up“
Von „Nairobbery“ nach Hamburg

Dettingen. Er war schon bei Barbara Schöneberger und Hubertus Meyer-Burckhardt in der NDR-Talkshow 
und bei SWR1 Leute mit Barbara Zundel. Jetzt besuchte er das one. Buchcafé in Dettingen: Philip Oprong Spenner. In Kenia geboren, durchlebte er eine schwere Jugend. Als Straßenkind musste er im Großstadtdschungel der berüchtigten Hauptstadt ums Überleben kämpfen. Tagsüber musste er sich gegen Gangs zur Wehr setzen, nachts setzten ihm die Ratten zu. Sein größter Feind aber war der Hunger.

Dass man in „Nairobbery“ als Straßenkind keine Chance hat, ein gottgefälliges Leben zu führen, lernte er rasch. Wenn Philip Spenner durch Bitten und Betteln seinen Hunger nicht stillen konnte, wurde er eben zum Dieb. Wer in Kenia bei einem Diebstahl erwischt wird, muss damit rechnen, dass er von einem aufgebrachten Mob gelyncht wird. Immer wieder ist in kenianischen Zeitungen zu lesen, dass ein auf frischer Tat ertappter Dieb verprügelt, mit Benzin übergossen und bei lebendigem Leib verbrannt wurde. Wer seine einheimischen „Brüder“ bestiehlt und erwischt wird, hat keine Chance.

Ob seine Eltern tatsächlich bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind oder ihn im Alter von eineinhalb Jahren einfach im Stich gelassen haben, weiß Philip Spenner nicht wirklich – und es ist ihm eigentlich auch egal. Er erinnert sich nur vage an seine frühen Kindheitstage als ungeliebtes Stiefkind einer Tante in einem kleinen Dorf an der Grenze von Kenia nach Uganda. Für sie war er „nichts weiter als ein hungriges Maul, das sie stopfen musste“, urteilt Philip Spenner heute, denn er weiß noch genau, dass sie ihn das jeden Tag spüren ließ. Er musste auf einer dünnen Matte auf dem Fußboden schlafen, bekam dauernd Prügel und als besonders beliebte Strafe tagelang einfach nichts zu essen.

Dennoch ist er seiner Tante noch dankbar dafür, dass sie ihm eine Chance gegeben hat. Sie hatte schließlich selbst nichts, schaffte es aber doch lange Zeit, das Schulgeld für ihn zusammenzukratzen. Als er neun Jahre alt war, eröffnete sie ihm eines Tages, dass sie das Schulgeld nicht mehr aufbringen kann. Sie fuhr mit ihm nach Nairobi, wo sie sich bei einer „Organisation“ um eine Unterkunft für ihn kümmern und dafür sorgen wollte, dass er weiter regelmäßig zur Schule gehen kann. An einer belebten Ecke der Stadt verabschiedete sie sich und bat ihn, hier auf sie zu warten. Sie verschwand in der Menge und kam nie wieder zurück. Für Philip Oprong Spenner begann damit ein neues Martyrium.

Wie er den unmenschlichen Überlebenskampf in den Straßen und dunklen Ecken der Hauptstadt heil überstanden hat, und warum sein Leben längst in geordneten Bahnen verläuft, erzählt Philip Oprong Spenner in seinem bei Ullstein erschienenen Buch „Move on up“, das er an diesem Abend vorstellte und natürlich auch signierte. „Ich kam aus dem Elend und lernte leben“ lautet der Untertitel des Buches, dessen Titel in einer idiomatischen Wendung die einfache Botschaft zusammenfasst, der der heute 31-jährige Philip Oprong Spenner sein Leben verdankt.

Nicht bequem auf dem Hintern sitzen zu bleiben, sich als Opfer zu fühlen und in Selbstmitleid zu kreisen ist die Lösung, sondern aufzustehen, sich zu wehren und alles zu tun, was man selbst tun kann. Philip Spenners Hohelied auf die Schule und das Erlernen fremder Sprachen dürften die Pädagogen in den vielen von ihm schon besuchten Schulen gerne gehört haben.

In Lenningen, Münsingen und Dettingen hat er sich gemeinsam mit Stefan Fink, Inhaber des one.buchcafés Dettingen, mit Schulklassen getroffen und über seine trostlosen Kindheits- und Jugendtage in Kenia und seinen Weg in sein Leben als ­„Teach-First-Lehrer“ gesprochen.

Geholfen haben Philip Spenner ein stabiler Glaube, seine mitreißende Musikalität und vor allem auch sehr viele glückliche Umstände, die er immer optimal zu nutzen wusste. Entscheidend war dabei sein absoluter Wille, die eine Chance, die sich ihm bietet, unbedingt zu nutzen, und nicht im Selbstmitleid zu verharren, sondern das eigene Leben in die Hand zu nehmen.

Der einstige bettelarme kenianische Straßenjunge lebt heute mit Frau und Kind in Hamburg und kümmert sich an einer „Problemschule“ um Schülerinnen und Schüler, die auf der Suche nach sozialem Halt und Anerkennung ihren Weg ins richtige Leben und in eine erfüllende berufliche Tätigkeit erst noch finden müssen.

Philip Spenner hofft, dass dieser Beruf für sie dann hoffentlich genauso zur Berufung wird wie für ihren ungemein gut respektierten „Teach-First-Lehrer“ aus Kenia, der auf seinem unaufhaltsamen Weg nach oben verschiedene finanziell verlockende Angebot ausgeschlagen hat, um sich nach seinem Referendariat seinen Traum endgültig zu erfüllen. Er weiß, dass er als Lehrer suchenden Jugendlichen helfen kann und vor allem deshalb so gut akzeptiert wird, weil er sie versteht und ernst nimmt.

Dass er seinen Mitmenschen darüber hinaus mit seinem Buch „Move on up“ und seiner aktuellen Lesereise tatsächlich etwas mit auf den Weg geben kann, was wichtiger ist als der reine schulische Unterrichtsstoff, macht ihm Freude – und das spürt man deutlich. Zwischen den einzelnen gelesenen Kapiteln lehnte sich Philip Oprong Spenner in Dettingen immer wieder zurück, um a cappella Lieder aus seiner afrikanischen „Heimat“ zu singen.

Kenia ist und bleibt für ihn wohl immer mit schlimmen Erinnerungen verbunden und ist daher eigentlich nur sein Herkunftsland, zu dem er aber dennoch weiter engen Kontakt hält. Als Vorsitzender des Vereins „Kanduy Children“ besucht er regelmäßig sein altes Waisenhaus, das Ausgangspunkt war für seinen erfolgreichen Start in ein neues Leben.