Fünftklässler der Dettinger Teckschule und Kinder mit Behinderung werden zusammen unterrichtet
Voneinander lernen und profitieren

Sieben Kinder mit geistiger Behinderung der Nürtinger Bodelschwinghschule haben seit diesem Schuljahr ihr Klassenzimmer in die Teckschule nach Dettingen verlegt. In einigen Fächern lernen sie gemeinsam mit den Fünftklässlern der Werk­realschule.

Voneinander lernen und profitieren
Voneinander lernen und profitieren

Dettingen. Gebannt blicken die Mädchen und Jungen nach vorn, während Jürgen Baumgart die Geschichte des ägyptischen Pharaos Tutanchamun vorliest. „Der Archäologe Howard Carter entdeckte Tutanchamuns Grab, in dem 110 Kilogramm Gold gefunden wurden“, erzählt der Lehrer der Dettinger Teckschule. „Die Schlange galt als Beschützer des Pharaos – und genau sie ist heute unser Thema: Jeder wird seine eigene Schlange aus Ton herstellen.“

Dass diese Aufgabe jedoch gar nicht so einfach ist, bemerken die Kinder schnell, während sie ihrem Klassenkameraden Marcel bei der Arbeit über die Schulter schauen: Der Junge versucht, aus einem Tonklumpen eine Rolle zu formen. „Der ist ja steinhart“, ärgert er sich. „Du musst deine Finger mit Wasser anfeuchten, dann wird der Ton weicher“, erklärt der Lehrer. Philipp beugt sich neugierig vor. Die Augen des Jungen mit geistiger Behinderung sind auf Marcels Hände fixiert – er will nichts verpassen, schließlich ist auch er später an der Reihe.

„Philipp hat mittlerweile schon gelernt, bestimmte Formulierungen zu verwenden, um damit die unterschiedlichen Arbeitsschritte zu erklären. Das ist super, er hätte das früher nicht geschafft“, freut sich Anne Siegloch. Die Sonderschullehrerin der Nürtinger Bodelschwinghschule unterrichtet ihre Klasse, der sieben Kinder mit geistiger Behinderung angehören, seit Beginn des Schuljahres in den Räumen der Dettinger Grund- und Werkrealschule. In den Fächern Sport, Kunst, Musik und „Werken, Arbeit, Gesundheit“ lernen die Kinder mit Handicaps der sogenannten Außenklasse und die Fünftklässler der Werkrealschule gemeinsam. Außerdem arbeiten sie bei unterschiedlichen Projekten miteinander. „In Kleingruppen erstellten die Schüler bisher zum Beispiel Präsentationen zum Thema Haustiere, gestalteten Kürbisgeister und kochten Kürbissuppe“, erzählt Anne Siegloch. Der gemeinsame Unterricht der Kinder mit und ohne Behinderung sei nur in Fächern möglich, bei denen der Leis­tungsgedanke nicht im Vordergrund steht und bei denen es eher um praktische Dinge geht. Deshalb werden die Schüler zum Beispiel in Mathe und Deutsch getrennt unterrichtet.

„Früher waren wir als Außenklasse an der Grundschule in Nürtingen-Roßdorf untergebracht. Nach der vierten Klasse stellte sich dann die Frage, wie es weitergehen soll“, sagt Anne Siegloch. Weil einer ihrer Schüler aus Dettingen kommt, ergab sich über dessen Eltern der Kontakt zur Teckschule. „Hier sind wir auf offene Ohren und Türen gestoßen.“ Auch die Nähe zur Dettinger Verbundschule für sprach- und körperbehinderte Kinder sei ein großer Vorteil, betont die Lehrerin. „Meine Schüler können dort mittagessen. Außerdem holt man sie mit den Bussen der Verbundschule von zu Hause ab und fährt sie nach dem Unterricht wieder zurück.“

Mit der Kooperation der Bodel-schwingh- und der Teckschule will man erreichen, dass die Kinder voneinander lernen und profitieren. „Den Werkrealschülern soll bewusst werden, dass Kinder mit Behinderung zu unserer Gesellschaft gehören. Außerdem lernen sie, Verantwortung zu tragen und anderen zu helfen“, unterstreicht Anne Siegloch. Die Kinder mit Handicaps hingegen könnten sich an den Werkrealschülern orientieren, dabei ihre kommunikativen und motorischen Fähigkeiten verbessern und dadurch auch selbstbewusster werden.

„Wir sind sehr glücklich darüber, dass die Kooperation geklappt hat“, betont Günther Bosch, Schulleiter der Teckschule. Zwar hätten manche Kollegen zunächst Bedenken geäußert, ob die Eltern der Werkrealschüler durchweg positiv auf die Neuerung reagieren, räumt Marita May­er, stellvertretende Schulleiterin der Teckschule, ein. „Aber sie sehen es alle als Gewinn an und als gute Möglichkeit des sozialen Lernens.“