Handball
Württemberger schwächeln vor Reformstart

Handball Ein verschärfter Abstieg in der Oberliga zwingt den HVW zur Kursänderung. In der neuen Saison droht durch zusätzliche Spiele akute Terminnot. Von Bernd Köble

Pflichtbewusste Handballer sollten sich im kommenden Jahr gut überlegen, ob sie auf Frühbucherrabatte beim Pfingsturlaub nicht besser verzichten. Gut möglich, dass bis zu den Feiertagen 2021 Pflichtspiele im Kalender stehen. Es wird eng. Nicht nur im Spielplan, auch in den meisten Ligen auf Verbandsebene heißt es in der neuen Saison Platz schaffen. Schuld daran ist der Domino-Effekt, der - wie so oft - weit oben seinen Auslöser hat: In der 3. Liga Süd gelten mit Plochingen und Blaustein zwei HVW-Teams als heißeste Kandidaten für den Abstieg in die Baden-Württemberg-Oberliga (BWOL). Gleichzeitig droht mit der insolventen SG Nußloch in der 3. Liga Mitte einem zusätzlichen Verein der Zwangsabstieg. Erfüllen sich die Erwartungen der meisten Experten, dann käme es im Sommer zu einem Novum: Erstmals in der Geschichte müsste ein halbes Dutzend Mannschaften aus der BWOL absteigen - nach derzeitigem Tabellenstand ausschließlich Teams des HVW. Die Württemberger schwächeln, und ihr Verband hat plötzlich ein Problem. Schließlich sollte die für Sommer geplante Reform dem HVW vor allem eines bescheren: weniger Mannschaften.

Daraus wird wohl nichts - zumindest teilweise. Der HVW ist am vergangenen Samstag offenbar zurück gerudert. Offiziell verkündet wurde noch nichts. Der für die Spieltechnik verantwortliche Verbandsausschussvorsitzende Michael Roll bestätigt jedoch: Die neue eingleisige Württembergliga soll in der kommenden Saison von 14 auf 16 Mannschaften aufgestockt werden. Mindestens 13 statt der beabsichtigten zwölf Plätze sind in den beiden wieder eingeführten Verbandsligen vorgesehen. Lediglich in den vier Landesligastaffeln darunter soll mit jeweils zehn Vertretern alles so bleiben wie geplant.

Das hat Auswirkungen auf Auf- und Abstieg in der laufenden Saison. Im letzten Jahr mit einer zweigeteilten Württembergliga dürfen sich in der Nord- und Südstaffel die ersten Sechs Hoffnungen auf den Aufstieg machen - einer weniger als ursprünglich vorgesehen. Aus den Bezirken wird mit 13 Aufsteigern in die Landesligen gerechnet. Hinter den Direktaufsteigern werden dort die jeweils Zweitplatzierten zum voraussichtlich letzten Mal in die Relegation gehen. Deren Abschaffung ist ein Kernanliegen bei der Reform. Für die Landesligisten ändert sich nichts. Beispiel VfL: Wollen die Kirchheimer verlässlich in die neue Verbandsliga aufsteigen, müssen sie am Ende dieser Saison zumindest auf Platz vier stehen.

Ob die am Samstag beschlossenen Optionen einmalig bleiben können oder ob sich die Umsetzung der Reform länger hinziehen wird, weiß niemand. „Das vorherzusagen, ist zurzeit schlicht unmöglich“, sagt Michael Roll, der bei allem Reformstreben Realist bleibt: „Dass das alles geräuschlos abläuft, konnte niemand erwarten.“ Die Wahrscheinlichkeit jedenfalls ist hoch, dass der HVW in der Saison 2020/21 deutlich mehr Spiele im Kalender unterbringen muss als eigentlich geplant. Erschwerend hinzu kommt, dass mit den Feiertagen am 1. Mai, 3. Oktober und 1. November drei potenzielle Zusatztermine wegfallen, weil die ohnehin auf ein Wochenende oder einen Montag fallen. Roll rechnet deshalb damit, dass möglicherweise bis Pfingsten gespielt werden muss.

Das nächste Problem: die Schiedsrichternot. Ein wesentliches Argument in der Reformdiskussion. Weniger Spiele - weniger Schiedsrichter, die benötigt werden. Ein Effekt, der jetzt zu verpuffen droht, denn Entspannung ist im Schiedsrichterwesen nirgends in Sicht. Weshalb der Bezirk Esslingen/Teck, der verbandsweit die höchste Mannschaftsdichte aufweist, im vergangenen Jahr mit seiner Forderung scheiterte, die Staffelgröße in der Landesliga von zehn auf zwölf Teams zu erhöhen. „Dafür hätte jeder Bezirk zwölf Schiedsrichter-Gespanne mehr stellen müssen“, sagt der spieltechnische Leiter Roland Dotschkal. Ein frommer Wunsch.