Kirchheim. In 17 Jahren kann viel passieren. Einmal war derjenige Herr, der eigentlich den Gottesdienst halten sollte, nicht erschienen. Spontan ging Küster nach vorne und hielt die Predigt, den für diesen Sonntag vorgesehenen Bibeltext entnahm er dem Gesangbuch. Nachher meinten Zuhörer, es sei eine eindrückliche Predigt gewesen.
Nicht minder eindrücklich sprach Küster bei seiner Abschiedspredigt über den „Machertyp und Aktivisten“ Petrus. Dreimal fragt Jesus seinen Jünger Petrus, der bitter versagt hat, ob er ihn lieb habe. „Gerade solchen Machertypen“, meinte Bernd Küster, „muss die Frage nach der Liebe gestellt werden.“ Petrus wird durch Jesus zum Hirten, der sich um andere Menschen kümmert. „Kirche braucht Menschen, die Verantwortung übernehmen für andere.“
„Jesus bleibt der gute Hirte, egal wie der irdische Pfarrer heißt“, sagte Küster. „Die Gemeinde, die ich hier verlasse, ist nicht meine, es ist die Gemeinde Gottes.“ Sie hat ihm gefallen, die Gemeinde, er und seine Frau haben sich angenommen gefühlt. Auch von der Architektur der Kreuzkirche, die nach dem kirchlichen Immobilienkonzept in absehbarer Zeit abgegeben werden soll, ist Küster angetan. „Sie ist in Parabelform gebaut, wie zwei offene Arme, die offenen Arme Gottes. Ich habe in dieser Gemeinde Offenheit erfahren, und das tat mir immer wieder gut.“
Seine Nase noch einmal in den Wind zu hängen, so Dekanin Kath, habe auch damit zu tun, sich nicht ganz so alt zu fühlen. Sie freue sich, „dass mit Pfarrer Graf aus Oberlenningen, Pfarrer Bonnet und nun Pfarrer Küster gleich drei ‚Oldies‘ die Chance auf etwas Neues haben“. Kath dankte Küster besonders für die Leitung des Bezirksarbeitskreises Mission, für alle Beharrlichkeit und das Sich-in-die-Pflicht-nehmen-lassen für gemeinsame Projekte. Dazu gehörte die Leitung des gemeinsamen Gemeindebüros der fünf Kernstadtgemeinden.
Ingrid Riedl, Leiterin der Diakonischen Bezirksstelle Kirchheim, dankte Küster für seine Verbundenheit mit der Diakonie sowie „dafür, dass er so unkompliziert war“. Von der katholischen Kirchengemeinde Maria Königin, mit der ihn eine gute ökumenische Gemeinschaft und viele freundschaftliche Begegnungen verbanden, bekam Küster einen warmen Schal, Schäfchensocken und eine schöne Stola geschenkt.
Küster habe „eine lebensnahe, authentische und verständliche Verkündigung vorgelebt“, sagte Mario Zirlik, der Erste Vorsitzende des Kirchengemeinderats. Seine Art habe vieles in der Gemeinde ausgeglichen. Die Kirchengemeinderätin Rosemarie Reichelt bescheinigte Küster „einen weiten Blick auch über die Kirchturmspitze der Kreuzkirche hinaus“. Dies habe sich an seiner Verbindung zu Tansania, seiner Mitarbeit in der Kirchheimer Zukunftswerkstatt und an Gottesdiensten mit Vertretern des Kirchheimer Frauenhauses, des Arbeitskreises Leben, des Arbeitskreises Asyl und amnesty international gezeigt. Weitere Stichworte von Reichelts Würdigung waren Küsters Verbundenheit mit dem Eine-Welt-Verein und sein Einsatz für die offene Jugendarbeit im Brückenhaus und die Schafhofinitiative. „Die Kirchengemeinde in Reutlingen ist zu beneiden“, schloss Reichelt.
Küster gilt als sehr zurückhaltend, außer es geht um Fußball. Er ist ehrenamtlicher Manager der württembergischen Pfarrerfußballmannschaft. Zugleich ist er für seine Kreativität und Spontanität bekannt. Er weiß auch um seine menschlichen Schwächen. Alle, denen er in den 17 Jahren Unrecht getan habe oder die er gar verletzt habe, bat er zum Abschied um Verzeihung.
Reutlingen, wo er mit seiner Frau in einer Woche hinziehen wird, ist Küster nicht unbekannt, er ist dort einst zur Schule gegangen. Was der nach einer Selbstbeschreibung „unmusikalische Musikliebhaber“ an der dortigen Auferstehungskirche wohl vermissen wird, ist der Posaunenchor, denn es gibt dort keinen. Als Erstversorgung überreichte ihm der Posaunenchor der Kirchheimer Kreuz- und Thomaskirche eine CD mit Bläsermusik.
Am Sonntag, 5. Mai, 10 Uhr, wird Pfarrer Bernd Küster in der Auferstehungskirche in Reutlingen, Sonnenstraße 90, in sein neues Amt eingesetzt.