Viel Pech gegen Ungarn, eine starke Viertelstunde gegen Spanien, Misstöne in der Mannschaft und ein Abschied gegen Polen, der ratlose Gesichter zurückließ - Was bleibt von einer Handball-WM, von der sich viele gewünscht hätten, dass sie erst gar nicht stattgefunden hätte? Einen klaren Blick behalten, bedeutet für Fabian Gutbrod, Dinge weder schönzureden noch zu dramatisieren. „Wir haben zu keinem Zeitpunkt wirklich gut gespielt“, sagt der Mann im linken Rückraum beim Bundesligisten Bergischer HC, der mit der DHB-Auswahl in Ägypten vor zwölf Jahren Junioren-Weltmeister wurde. „Trotzdem sollte man diese ganze WM nicht zu hoch hängen.“
Im ersten Punkt zumindest unterscheidet sich der Owener von vielen Beobachtern, die dem deutschen Team beim schwächsten WM-Ergebnis in der Verbandsgeschichte wenigstens gegen Spanien phasenweise Weltklasse-Niveau bescheinigten. „Den starken Mittelblock zu ersetzen, haben wir nicht geschafft“, sagt Gutbrod. „Das war unter den gegebenen Umständen aber auch nicht zu erwarten.“ Ob es ein Fehler war, angesichts der Pandemie in der Welt und der Absagen mehrerer Leistungsträger überhaupt bei der WM zu starten? „Schwierige Frage“, meint Fabian Gutbrod. Er hätte sich ganz klar dagegen entschieden. „Wenn man als Nationalmannschaft in der Öffentlichkeit steht, trägt man auch Verantwortung dafür, wie etwas nach außen wirkt“, sagt er. „Für mich ist das in der augenblicklichen Lage das falsche Signal.
Mit 32 Jahren hat Fabian Gutbrod vor Weihnachten seinen Vertrag bei den Löwen um zwei weitere Jahre verlängert. Das Abschiedsspiel am Montag gegen Polen hat er mit gemischten Gefühlen verfolgt. Zur Freude über den gelungen Auftritt seines Teamkollegen David Schmidt kam die Sorge über die Verletzung des Polen Maciej Majdzinski, derzeit einziger Halbrechter beim Bergischen HC. Zwei Kreuzbandrisse hat er bereits hinter sich. „Das sah nicht gut aus“, meint Gutbrod. „Das wird wohl länger dauern als vier Wochen.“
Wie lange es dauern wird, bis sich die Wogen innerhalb des deutschen Teams wieder geglättet haben, ist eine Frage, die auch Jona Schoch nicht beantworten kann. Der Kirchheimer, inzwischen Kapitän beim Bundesligisten Balingen-Weilstetten, hat sich mit den Galliern von der Alb erst am vergangenen Freitag über einen neuen Vertrag geeinigt. Er spricht von zu vielen Nebengeräuschen bei dieser WM. Die Kritik von Torhüter Andreas Wolff an den WM-Absagen seiner Kollegen, das fragwürdige Interview von Kapitän Uwe Gensheimer - „da hätte man intern geschlossener vorgehen können“, findet Schoch. Vor allem Gensheimers Aussagen, in denen von Missgunst die Rede war, ohne klar zu machen, wen er damit meint, hätten ihn in ihrer Zweideutigkeit verwundert. „Das war sicher unglücklich formuliert von ihm, aber man sollte das jetzt auch nicht dramatisieren.“
Dass mit Beginn der Olympia-Qualifikation wieder die Besten und Erfahrensten im deutschen Handball in der Mannschaft stehen werden, damit rechnet Jona Schoch fest. Dass DHB-Vizepräsident Bob Hanning schon mal die Mission Gold ausgerufen hat, hält er dagegen für wenig hilfreich. „Ich hätte das anders formuliert. Step by Step“, sagt er. „Aber wir Schwaben sind da eben zurückhaltender.“
Ein waschechter Schwabe ist auch Jürgen Lehmann, der diese Meinung teilt. „Von Olympia-Gold zu reden, wenn man sich noch nicht einmal qualifiziert hat“, fragt er sich. „Ich weiß nicht, was das soll.“ Der 66-Jährige aus Lenningen, früher selbst Spitzenhandballer und heute Geschäftspartner des DHB, hätte sich bei der WM mehr Leichtigkeit im deutschen Team gewünscht. Das gilt nicht nur für den erfahrenen Kapitän Uwe Gensheimer, den er nach seinem verbalen Fehltritt in Schutz nimmt („Man muss auch Mensch sein dürfen“). Dass Qualität auch bei den Nachrückern vorhanden ist, von denen viele bei der WM ihr Debüt gaben, steht für ihn außer Frage. Trotzdem sagt er: „Eine gute Viertelstunde gegen Spanien ist eben zu wenig, um ins Viertelfinale einzuziehen.“
Als langjähriger Wegbegleiter des deutschen Handballs macht Lehmann sich Sorgen, wie es weitergehen wird. Ob die Mannschaft in der Qualifikation für Tokio wieder zusammenfindet? Ob ein solches Turnier überhaupt stattfinden kann? „Zuletzt lief es schon bei den Frauen nicht gut“, sagt er. „Es wäre so wichtig, dass wir unsere Sportart mal wieder mit Erfolgen in der Öffentlichkeit platzieren.“