Aichelberg/Weilheim. Es hätte ein würdiger Abschied werden sollen. „Nach dem Tod meiner Mutter wollte ich eine Urnenbestattung mit Trauerfeier, bei der ein Pfarrer tröstende Worte für die Angehörigen findet“, erzählt Sabine Lemke aus Aichelberg. Ihre Mutter, die zuletzt in einem Weilheimer Pflegeheim lebte, sei stets eine gläubige Katholikin gewesen. „Für die Feier hatte ich extra die Aussegnungshalle auf dem Aichelberger Friedhof gemietet und einen Gitarristen und eine Sängerin organisiert.“ Was die trauernde Tochter dann jedoch erlebte, macht sie fassungslos und wütend.
Es begann damit, dass Sabine Lemke einen Wunschtermin für die Bestattung nannte: den 15. November. Hermann Ehrensperger, Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde Sankt Franziskus in Weilheim – zu deren Einzugsgebiet auch Aichelberg gehört – sagte jedoch ab, weil er an diesem Tag bereits einen anderen Termin im Kalender stehen hatte. „Er versprach, Ersatz in Form eines Lektors zu finden“, so Sabine Lemke. Auf ein persönliches Trauergespräch wartete die Familie jedoch vergeblich: „Der Lektor hat erst einen Tag vor der Beisetzung angerufen und mich ein paar Sachen abgefragt“, erinnert sie sich an den Mittwoch vergangener Woche. Innerhalb weniger Minuten sei das Telefonat beendet gewesen.
Am Tag der Beisetzung kam für Sabine Lemke und ihre Angehörigen dann der Schock: „Der Lektor tauchte bei der Beisetzung in verwaschener Jeans und Anorak auf, ausgerüstet mit Malerpinsel und einem wassergefüllten Gurkenglas, das er zur Segnung der Urne einzusetzen gedachte“, berichtet die Aichelbergerin. Den Namen ihrer verstorbenen Mutter habe der Vertreter mindestens drei Mal verkehrt gesagt, das Vaterunser im Steno-Stil absolviert und die Ansprache in Rekordzeit heruntergeleiert. Dabei habe er immer wieder Kommentare wie: „Das lassen wir aus“ oder „Ach, das gehört gar nicht zu dieser Beerdigung“ abgegeben. Die Segnung der Urne habe der Lektor zum Entsetzen der Trauergemeinde dann tatsächlich mit dem Malerpinsel und Weihwasser aus dem Einmachglas vorgenommen. Das Glas wiederum hatte er in einem Kupfergefäß platziert. „Die Trauergäste mussten diese Zeremonie ebenfalls mit dem Malerpinsel ausführen“, beschreibt Sabine Lemke. Ein anderer Teilnehmer der Bestattung erinnert sich noch daran, dass der Lektor zu der trauernden Tochter gesagt hat: „So, jetzt dürfen Sie Ihrer Mutter Wasser geben.“ „Nach zehn Minuten war der Lektor fertig, dank der Sängerin hat die Feier immerhin 15 Minuten gedauert“, berichtet Sabine Lemke immer noch fassungslos.
Dass bei der Beisetzung in Aichelberg einiges schiefgelaufen sein soll, ist auch Pfarrer Hermann Ehrensperger bereits zu Ohren gekommen. Einräumen muss der Weilheimer Pfarrer, dass der von ihm gewählte Vertreter eigentlich gar nicht qualifiziert dafür ist, eine Trauerfeier zu gestalten: „Er hat keine offizielle Beauftragung für Bestattungen“, sagt Hermann Ehrensperger. „Das habe ich auf meine Kappe genommen.“ Im Vorfeld habe er kein schlechtes Gefühl bei der Auswahl seines Vertreters gehabt. „Er hat mich schon mal bei einer Bestattung vertreten, da hat es keine Klagen gegeben.“ Dass die Beisetzung nun nicht zur Zufriedenheit der Angehörigen verlaufen ist, tut ihm leid. „Das soll auch nicht wieder vorkommen“, verspricht er – ein Satz, der Sabine Lemke nicht weiterhilft: „Meine Mutter wird schließlich nur einmal beerdigt, da kann man nichts mehr gutmachen.“ Der ehrenamtliche Lektor selbst wollte sich auf Anfrage des Teckboten nicht zu dem Thema äußern.
Bei der Diözese Rottenburg-Stuttgart heißt man den Vorfall in der Weilheimer Kirchengemeinde nicht gut. „Wenn das so abgelaufen ist, ist das nicht okay“, betont Uwe Renz, Pressesprecher der Diözese und selbst Diakon. „Das entspricht nicht einer würdigen und pastoral einfühlsamen Beerdigung.“ So dürfe es aus seiner Sicht schon einmal kein telefonisches Trauergespräch geben: „Das persönliche Trauergespräch ist ganz wichtig. Schließlich sind die Angehörigen seelisch stark verwundet.“ Auch Zeit dürfe keine Rolle spielen. Aus seiner Sicht sind Bestattungen ohnehin ganz oben auf der Prioritätenliste anzusiedeln. „Das ist eine Seelsorgehandlung, die man nicht hoch genug ansetzen kann“, sagt er. Erst vergangene Woche habe es in Rottenburg zum Thema Bestattungskultur eine Dekanekonferenz gegeben.
Qua Amt beerdigen oder bestatten dürfen Priester und Diakone aufgrund ihrer Weihe. Nach einer speziellen Ausbildung und einer Beauftragung dürfen auch Vertreter pastoraler Dienste wie Pastoral- oder Gemeindereferenten – also hauptamtliche Seelsorger – bestatten. Neben- oder ehrenamtlich in der Gemeinde aktive Personen bekommen diese Legitimierung nicht. Nur in Einzelfällen dürfen Ehrenamtliche eine Urnenbeisetzung leiten, wenn zuvor eine von einem Seelsorger geleitete Trauerfeier stattgefunden hat.