Bissingen. Sie kommen erschöpft vom langen Flug aus dem Norden am steilen Albtrauf an und müssen dann noch auf kürzeste Distanz rund 400 Höhenmeter überwinden. Dazu bietet sich der natürliche „Flaschenhals“ der Zipfelbachschlucht und des Randecker Maars an. Vögel, die das Maar auf circa drei Kilometer Breite verteilt anfliegen, ziehen anschließend in einer auf 400 Meter verdichteten Front über die Albkante.
So flogen an der Forschungsstation Randecker Maar zwischen Tagesanbruch und 16 Uhr im Herbst durchschnittlich 700 000 Vögel vorüber, erfasst von einem internationalen Team von Ornithologen. „Bei Nacht verzeichnen wir sogar mehr als die doppelte Anzahl der Zugvögel“, weiß der renommierte Kirchheimer Vogelkundler Dr. Wulf Gatter, der Gründer und Leiter der Vogelzugbeobachtungsstation am Randecker Maar. Deshalb ist er froh, dass der Verband Region Stuttgart die beiden Windrad-Standorte „Schafbuckel“ und „Asch/Oberreute“ kippte.
Obwohl die Überprüfung der 96 Standortvorschläge in der Region noch nicht abgeschlossen ist, bestätigt die Pressesprecherin des Regionalverbands, Dorothee Lang, das „Aus“ der Windkraft auf Bissinger Gemarkung. „Diese beiden Standorte sind perdu“, versichert die Pressesprecherin. Sie liegen zu 100 Prozent im Landschaftsschutzgebiet, bei der Bewertung ebenso wie artenschutzrechtliche Bestimmungen eine „unüberwindbare Hürde“, wie Dorothee Lang sagt.
„Der Bau von Windrädern auf dem Schafbuckel und im Asch/Oberreute hätte das einzige mitteleuropäische Langzeitprojekt zum Vogelzug im Binnenland in unverantwortlicher Weise gefährdet“, ist sich Wulf Gatter sicher, der gemeinsam mit seinen Mitarbeitern seit über 40 Jahren den Vogelzug am Randecker Maar beobachtet und dokumentiert. Er wunderte sich ohnehin über die Ausweisung der beiden Standorte auf der Ochsenwanger Alb, da die Flächen der Zugkonzentrationskorridore von Vögeln und Fledermäusen sowie Rast- und Überwinterungsgebiete von Zugvögeln nach dem Windenergieerlass als Ausschluss-Flächen definiert wurden.
Die Rotoren der Windräder wären jedoch nicht nur für die ziehenden Buchfinken, Rauch- und Mehlschwalben, Kormorane, Ringel- und Hohltauben und viele andere Vogelarten zur tödlichen Gefahr geworden. Auch für auf der roten Liste stehende Vögel wären sie zur Bedrohung geworden. Denn nach den Beobachtungen des Ornithologen brüten drei Rotmilan-Paare im Bereich der beiden Windkraftstandorte. Der Westhang des Breitensteins ist zudem Brutplatz des stark gefährdeten Wespenbussards.
Vom „Aus“ der Windräder auf Bissinger Gemarkung hat der Bürgermeister der Seegemeinde, Marcel Musolf, bisher nur aus der Presse erfahren. Doch der Verwaltungschef fühlt sich bestätigt. „Das deckt sich mit unserer Einschätzung.“ Auch hätten sich bei ihm keine Windenergie-Investoren mehr gemeldet. „Wer die Diskussion bei uns verfolgt hat, lässt das sein“, ist Musolf überzeugt. Und Anleger von außerhalb, die im Rathaus anklopfen, melden sich nicht mehr, sobald sie von der ablehnenden Haltung der Bissinger gegenüber den Windrädern auf der Albhochfläche am Randecker Maar hören.
Auch für die Beurteilung des Windkraft-Standortes Käppele bei Dettingen spielt das Landschaftsschutzgebiet eine Rolle. 83,6 Prozent der ausgewiesenen Fläche liegen in dem Schutzgebiet und sind somit für Windräder tabu. „Über die Restfläche wurde noch nicht entschieden“, sagt Dorothee Lang. Das Areal liege zudem auch zum Teil in einem Vogelschutzgebiet, das ebenso wie Flugsicherheitsaspekte des nahen Sonderlandesplatzes Hahnweide beachtet werden müsse.
„Wir sind an der Thematik dran und werden das alles einarbeiten.“ Das allerdings erfordert Zeit. Sie schätzt, dass Thomas Kiwitt, der Leitende Technische Direktor des Regionalverbandes, im April dem Planungsausschuss einen ersten Zwischenbericht vorlegen kann. „Sie dürfen nicht vergessen, die Öffentlichkeit hat rund 3 000 Einwendungen abgegeben. Die müssen alle bewertet werden“, sagt die Verbands-Pressesprecherin.