Neidlingen. Der billigste Bugatti kostet 1,2 Millionen Euro – ohne Steuern. Wer einen besitzt, hat ihn vielleicht bei Andreas Schwarz gekauft. Wenn er will, mit allen Serviceleistungen. Macht ein Besitzer von Nizza aus einen Drei-Tages-Trip
nach Berlin und will dort seinen Bugatti haben, organisiert Schwarz die Überführung. In manchem Jahr hat die Schwarz Automotive Engineering um die 30, in einem anderen eher 50 Bugatti, SLR oder Maybach ausgeliefert. Manche in Serienausführung, andere modifiziert. Mit zweieinhalb fest Beschäftigten kommt die kleine Firma aus, der Rest an Fachkräften wird nach Bedarf beauftragt.
Wie kommt ein Mann, der Luxuswagen an Fußballspieler, Filmstars, Ölscheichs oder reiche Erben verkauft, ausgerechnet nach Neidlingen? Schon als Student fuhr der Autoliebhaber Andreas Schwarz einen Porsche, den er sich durch Werkstattarbeiten an anderen Fahrzeugen verdient hatte. Seit August führt der 40-jährige Neidlinger die Leonberger Firma Gemballa weiter, die sich auf das Tuning von Porsche-Fahrzeugen spezialisiert hat.
Aufgewachsen ist Schwarz in Göppingen. Statt in Stuttgart oder München, wie in der Jugend erträumt, landete er in Hattenhofen und Zell unter Aichelberg. Doch er gewöhnte sich an das Leben auf dem Land. Hätte er früher nie geglaubt, einmal in Neidlingen zu wohnen, genießt er nun die „sehr hohe Wohnqualität“ und große Ruhe – obwohl er seine Entspannung im nicht ganz stillen Hobby Motorsport findet. Im Neidlinger Industriegebiet drohen ihm auch keine Strafzettel für falsches Parken mehr. Die hatte er sich während des Fahrzeugtechnikstudiums an der Hochschule Esslingen, im „Stall“, in größerer Stückzahl geholt. Anschließend studierte er in Stuttgart Maschinenbau mit Schwerpunkt Produktion und Organisation.
17 Jahre lang betrieb Schwarz seine Zeller Werkstatt. Bis ihn ein auf dem Nachbargrundstück ausgebrochener Brand im November 2006 um sein Lager und die halbe Halle brachte. „Wir waren von heute auf morgen arbeitsunfähig“, erinnert er sich. Schwarz hatte sich schon zuvor für das Neidlinger Objekt interessiert, nun wurde es dringend. Parallel suchte er nach Subunternehmern, die ihm halfen, den Betrieb fortzuführen.
Einen Partner hat er auch bei der Übernahme der Firma Gemballa, den ebenfalls autobegeisterten Herausgeber der Zeitschrift „Prestige Cars“, Steffen Korbach. 18 andere Interessenten hatten sich beim Insolvenzverwalter von Gemballa gemeldet, doch die Verhandlungen führten zu keinem Ergebnis. Der Vorbesitzer Uwe Gemballa wurde seit Februar 2010 unter mysteriösen Umständen in Südafrika vermisst und Ende September in der Nähe von Pretoria ermordet aufgefunden. Er hinterließ acht Millionen Euro Schulden, die Besitzverhältnisse seines Betriebs waren verworren, die Markenrechte gehörten nicht zur Firma.
Schwarz und Korbach übernahmen nicht die Firma, sondern kauften die Insolvenzmasse. Ein feiner Unterschied. „Einfach weiterführen wäre unmöglich gewesen“, sagt Schwarz. Ihm gelang es aber, separat die Markenrechte zu erwerben. „Der Ruf von Gemballa ist im Ausland noch besser als hier“, betont er. Musste der Insolvenzverwalter im April 38 Mitarbeitern kündigen, arbeiten für Schwarz nun 22 Leute. „Die kriege ich durch“, ist er auch bei Auftragsschwankungen überzeugt. Weil er die Firma nicht weiterführte, muss er keine alten Garantieansprüche fürchten. Er will sich jedoch kulant zeigen, schließlich geht es um mögliche Kunden. Mit der Qualität will er nur in eine Richtung – nach oben. Auch für Auslandskunden werden alle sicherheitsrelevanten Teile vom deutschen TÜV geprüft.
Die modifizierten Porsche 997, Cayenne, Carrera GT und Panamera sind zwar günstiger als die Fahrzeuge seiner bisherigen Neidlinger Firma. Sie kosten aber schnell das Dreifache eines Serienmodells. Wo größere Anbieter bei Sonderwünschen passen, weil etwas nicht im Katalog steht oder ein Material nicht getestet ist, liefert Schwarz. Wer meint, er brauche zur Sicherung seiner Individualität schwarzes Leder mit gelben Nähten, bekommt es. „Der Kunde kriegt, was er will“, sagt der Neidlinger.
Künftig will Schwarz den Käufern zu Beginn begleitetes Fahren anbieten. Er fragt sich aber, ob das Angebot angenommen – oder mit einem entrüsteten „ich kann Autofahren“ beantwortet wird. Ein Unfall mit einem Fahrzeug von Gemballa oder Schwarz, weiß er, wäre die größtmögliche Negativwerbung. Ob Porsche glücklich damit ist, dass andere die Autos modifizieren? „Ich bin sehr daran interessiert, zu Porsche ein gutes Verhältnis zu haben“, betont Schwarz, der in seinen kleinen Stückzahlen keine Bedrohung sieht. Er ist auf Zusammenarbeit angewiesen, schon deshalb, weil er ohne die aktuelle Testsoftware machtlos wäre. Dass er den Emissionswerten nichts Gutes tut, wenn er die Leistung von 500 auf 650 PS erhöht, weiß er gut und sagt es offen. Wer ein 20-Liter-Auto kauft, sieht darin eher kein Problem.
Schwarz setzt auf langfristige Geschäftsbeziehungen, ehrliche Auskünfte zu Lieferterminen und Preisen und das Einräumen von Fehlern. „99 Prozent ist Mundpropaganda“, meint er zur Gewinnung seiner Kunden, die meist im Ausland sitzen und extrem anspruchsvoll sein können: Er erzählt von einem Scheich, für den es völlig unmöglich erschien, bei ihm ein gebrauchtes Auto zu kaufen. Es habe schließlich 280 Kilometer auf dem Tacho.
Der eigene Fuhrpark von Schwarz umfasst einen Cayenne von Gemballa, einen Range Rover von Schwarz und einen SLR McLaren. Doch er sieht es pragmatisch und fährt genauso Lieferbus, seine Frau fährt Smart.