Kirchheim. Wenn es nicht nur für Erdbeben sondern auch für Applaus eine nach oben offene Richter-Skala gäbe, hätte das Gastspiel des infernalen Trios „Eure Mütter“ in der Kirchheimer Stadthalle zweifellos Grund für größte Sorge geliefert.
Auch wenn eigentlich noch gar nichts passiert war, hatte die gute Stimmung im Saal schon zum Auftakt Werte erreicht, die signalisierten, dass eigentlich mit allem zu rechnen ist. Dem war dann auch so.
Auch wenn die von ihren eigenen Müttern wohl darauf abgerichteten Söhne in atemberaubendem Tempo darum bemüht waren, wirklich alle Besucher in der völlig ausverkauften Stadthalle namentlich zu begrüßen, fühlten sich einige Fans wohl vorab schon dazu berufen, sich in Szene setzen zu müssen. Sie meldeten sich lautstark zu Wort, um zu beklagen, dass ihr Vorname in der eindrucksvollen Revue persönlicher Willkommensgrüße nicht vorgekommen sei. Das wurde freilich souverän mit exakten Verweisen auf den entsprechenden Vers und die genau Zeile widerlegt und mit dem Kritik unterbindenden Kommentar versehen, künftig doch mit etwas mehr Konzentration den Ausführungen zu folgen.
Ein sich als „Ulf“ meldender Besucher aus der zweiten Reihe wurde nicht mit dem Vorzeige-Raumfahrer Merbold in Verbindung gebracht, sondern mit „Alf“ und von den im blendenden Scheinwerferlicht stehenden Brachial-Humoristen wieder in die Anonymität des dispersen Publikums zurückgeschickt. Die wohl nur von der Bühne aus einsehbare und entsprechend geheimnisvoll bleibende Jacqueline hatte dagegen als eher unfreiwilliges Opfer in der gefährlichen ersten Rehe deutlich bessere Chancen, ohne eigenes Dazutun immer wieder in den Mittelpunkt des turbulenten Geschehens zu geraten und unbarmherzig mit einbezogen zu werden.
„Nix da ,Leck mich!‘ Auf geht‘s!“, lautete der bis zuletzt manche Frage offen lassende Titel des Programms, mit dem das Trio „Eure Mütter“ schon geraume Zeit in der Szene unterwegs ist und dessen Lieder von der offensichtlich weit angereisten Hardcore-Fangemeinde stellenweise immer wieder lippensynchron mitgesungen werden konnten.
„Der Typ, der bei der Gema die Titel eintippt, ist ein ganz blöder Penner“ war ein Beispiel für die im Publikum immer intensiver spürbare Solidarität gegen alles, was dem Trio offensichtlich das Leben schwer macht. Dem uneingeschränkten Bekenntnis zu dem vermeintlich alle Gefahren bannenden Gummi ihrer groben Winterreifen folgte eine grenzwertige Ästhetik-Analyse des weiblichen aber nicht allzu femininen Gegenüber. „Schön ist das nicht“ lautete ihr vielseitiger Refrain, der unter anderem Toaster-Tatoos auf dem Schenkel und Spaziergänge in Göppingen einschloss und den „Coffee to go“ mutwillig mit „Kaffee zum Weglaufen“übersetzte. Andi Kraus, Donato Svezia und Matthias Weinmann legten sich dann aber zunehmend darauf fest, dass sie grundsätzlich immer alles zusammen machen.
Wie gut sie tatsächlich harmonieren hatten sie gleich zu Beginn demonstriert. Florian Silbereisen zu Ehren stürmten sie die Bühne mit grellbunten Hemden, die nicht einmal Jürgen von der Lippe oder die „Flippers“ angezogen hätten. Dabei spielten sie unter der brennenden „Sonne von Sorrent“ auf der überschaubaren Klaviatur ihrer gnadenlos antrainierten Tanzschritte und grinsten zähnebleckend ins Publikum, als müssten sie die Spannkraft ihrer Brücken und der sie haltenden Haftcreme demonstrieren.
Als muntere Kühe trabten sie dann kurz über die „Weide“ der Stadthallenbühne, bevor sie relativ rasch den familientauglichen Teil beendeten und die Zoten-Quote konsequent in die Höhen trieben. Während zwei der „Mütter“ in knallroten „Schlampen-Türmen“ verführerisch über den Bühnenboden stöckelten, hoppelte die dritte Mutter „Don“ in einem gelben Hasenkostüm ohne Stiefel mit High Heels dazwischen und stahl als munter durch die Gegend rasendes Karnickel den beiden lasziven „Playmates“ gnadenlos die Schau.
Nach einer schon stark wasserlastigen „Ode an die Freude“ sorgten die skrupelresistenten Kamikaze-Comedians in Weißwäsche mit einer jeden Hausmeister in den Wahnsinn treibenden Zugabe dann für Überschwemmung auf der Bühne und viel Spritzwasser in den ersten Reihen. Das finale Synchron-Schamponieren war dann aber auch wieder etwas für den jüngsten Besucher im Saal, der an diesem Abend wohl tatsächlich viele neue Wörter gelernt hat . . .