Als eine Kundin das Geschäft betritt, zuckt Matthias Fischer unwillkürlich zusammen: Die Dame trägt Mundschutz. „Sind Sie infiziert?“, fragt er. „Nein“, versichert die Frau, „ich will mich nur vor Infektionen schützen.“
Szenen wie diese gehören für Matthias Fischer seit Beginn der Corona-Krise zum Alltag. Der gebürtige Schlierbacher ist Inhaber einer Orthopädiewerkstatt in Zürich. Der Fünf-Mann-Betrieb des 46-Jährigen, der seit 15 Jahren in der Schweiz lebt und arbeitet, darf trotz des dort seit Montag landesweit geltenden Shutdowns geöffnet bleiben - Prothesen, Einlagen und Bandagen gehören wie in Deutschland zur medizinischen Grundversorgung. „Der Publikumsverkehr bei uns ist schon weniger geworden“, schildert Fischer, „vor allem Ältere trauen sich nicht mehr her.“
Ähnlich wie in Deutschland herrscht bei den Menschen in der Schweizer Metropole eine diffuse Mischung aus Gelassenheit und Anspannung. „Man sieht viel mehr Jogger und Spaziergänger als sonst“, hat Matthias Fischer beobachtet, „gleichzeitig steigt aber auch hier die Zahl der Hamsterkäufe.“
Weitere Parallele zum Nachbarland: Die Schweiz wird ebenfalls föderal regiert, was einheitliche Regelungen schwierig macht. So hat laut Fischer der Kanton Tessin, der ans Hochrisikoland Italien grenzt, bereits vor zwei Wochen die Grenzen geschlossen und öffentliche Zusammenkünfte von mehr als fünf Personen verboten. Dass nun nicht nur die anderen Kantone, sondern auch die Zentralregierung in Bern diesem Beispiel folgen, sorgt bei den Eidgenossen nicht für Begeisterung. Fischer: „Ein Kunde hat mir erzählt, dass der Schweizer per se freiheitsliebend und selbstbestimmend ist und aktuell noch nicht ganz mit den Beschränkungen aus Bern zurechtkommt.“
Ob in diesem Zusammenhang Ausgangssperren wie in Österreich zielführend sind, kann Matthias Fischer bei aller berechtigten Vorsicht nur schwer einschätzen: „Auf Dauer ist die Frage, ob das die Leute nicht kränker macht als der Virus.“
Den Orthopädiemeister, der sein Handwerk bei der Firma Maisch in Kirchheim erlernt hat, treibt eher die Frage um, was die Krise auf Dauer mit seinem Betrieb und den Mitarbeitern macht: „Wir schließen den Laden nur, wenn es der Staat verordnet“, betont Fischer, „dann hätten wir ein finanzielles Polster für rund zwei Monate. Wie es dann weitergehen würde, weiß ich nicht.“
Zeit, sich Gedanken über den „Worst Case“ zu machen, hat der Exil-Schlierbacher ohnehin kaum: Matthias Fischer und seine Frau sind im Januar Eltern einer Tochter geworden. „Seitdem bin ich ohnehin viel gelassener und genieße das Leben anders“, lacht er.